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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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– in ihr Vaterland, in die Provence heimkehren zu können, um nie wieder so weitführende abenteuerliche Fahrten anzutreten. Aber sie schleppten eine Kugel am Fuße, die des Elends, und es war hart, mehrere hundert Meilen mit dieser Kugel am Fuße zurücklegen zu müssen.
    Ehe an die Zukunft gedacht werden konnte, verlangte die Gegenwart noch ihr Recht, mit anderen Worten, die Sorge um das Abendbrot konnte noch nicht als gesichert betrachtet werden. Nicht ein Kreuzer befand sich in der Kasse, sofern man diese anspruchsvolle Bezeichnung der Schnupftuchecke beilegen darf, in welche Pointe Pescade gewöhnlich das Vermögen der beiden Geschäftstheilnehmer einzuwickeln pflegte. Vergeblich mühte er sich auf dem Schaugerüst ab. Vergeblich schallte sein verzweiflungsvolles Lärmen über den Platz. Vergeblich stellte Kap Matifu seine Muskeln zur Schau, deren Sehnen wie die Verästelungen des Epheus um einen knorrigen Stamm sich ausnahmen. Kein Vorübergehender zeigte Lust, den Raum innerhalb der Leinwand zu betreten.
    »Verdammt hartleibig diese Dalmatiner, sagte Pointe Pescade.
    – Die reinen Pflastersteine, echote Kap Matifu.
    – Ich glaube bestimmt, daß es uns Mühe kosten wird, uns heute einen Feiertag zu leisten. Wir werden wandern müssen, Kap Matifu.
    – Um wohin zu gehen?
    – Du bist sehr neugierig, erwiderte Pointe Pescade.
    – Sage es nur.
    – Nun, was würdest Du von einem Lande halten, in dem man ganz gewiß täglich ein Mal essen könnte.
    – Wie heißt dieses Land, Pointe Pescade?
    – O, es liegt weit, sehr, sehr weit von hier… und selbst noch weiter als sehr weit, Kap Matifu.
    – Am Ende der Erde.
    – Die Erde ist endlos, antwortete Pointe Pescade in schulmeisterndem Tone. Wenn sie ein Ende hätte, so würde sie nicht rund sein, wenn sie nicht rund wäre, könnte sie sich nicht drehen, wenn sie sich nicht drehen würde, wäre sie unbeweglich, und wenn sie unbeweglich wäre…
    – Nun dann? fragte Kap Matifu.
    – Würde sie auf die Sonne fallen, in kürzerer Zeit, als es mir möglich wäre, ein Kaninchen zu stehlen.
    – Und dann?
    – Und dann würde eintreten, was einem ungeschickten Jongleur passirt, wenn zwei seiner Kugeln in der Luft zusammentreffen. Krach! Alles zerbricht, fällt und das Publicum pfeift und verlangt sein Geld wieder; man muß es ihm wiedergeben und man kann natürlich an dem betreffenden Tage nicht zu Abend essen.
    – Wenn die Erde auf die Sonne fällt, bekommen wir also kein Abendbrod?« fragte Kap Matifu.
    Und er versenkte sich in die unendlichen Folgen, welche dieser furchtbare Umstand nach sich ziehen könnte. Er setzte sich in eine Ecke der Estrade, kreuzte die Arme über sein Tricot, nickte mit dem Kopfe, wie eine chinesische Pagode und sagte nichts mehr, sah nichts mehr, hörte nichts mehr. Er war vollständig von der unlogischen Aneinanderreihung seiner Gedanken in Anspruch genommen. In seinem dicken Kopfe ging Alles drunter und drüber. In seinem Innern schien sich Alles wie in einem Strudel rund herumzudrehen. Dann kam es ihm so vor, als flöge er hoch, sehr hoch… immer noch höher und noch höher als sehr hoch. Die Ausdrucksweise Pointe Pescades in Verbindung mit der Entfernung der Dinge von einander hatte ihn stark mitgenommen. Plötzlich ließ man ihn los, er fiel… in seinen eigenen Bauch, das heißt in die Leere.
    Ein Alpdrücken hatte ihn befallen. Der Aermste erhob sich mit gespreizten Händen blindlings von seinem Schemel. Beinahe wäre er von der Höhe des Gerüstes heruntergefallen.
    »He, Kap Matifu, was ist Dir? schrie Pointe Pescade; er ergriff seinen Kameraden am Arm und zerrte ihn nicht ohne Mühe nach rückwärts.
    – Ich… ich… was mir ist?
    – Ja… Dir!
    – Ich habe, stotterte Kap Matifu, während er seine Gedanken wieder allmälich sammelte, was ein schwieriges Stück Arbeit schien, obgleich ihrer nicht viele waren, ich… ich muß mit Dir sprechen, Pointe Pescade.
    – Rede, mein guter Kap, rede nur und besorge nicht, daß man Dich hört. Fort, Zuschauer, fort!«
    Kap Matifu ließ sich auf dem Gerüste nieder und holte mit seinem kräftigen Arme, aber so sanft, als hätte er Furcht, ihm ein Glied zu zerbrechen, seinen tapferen Gefährten zu sich heran.
Zweites Capitel.
Der Stapellauf des Trabocolo.
    »Es geht also nicht? fragte Kap Matifu.
    – Was geht nicht? erwiderte Pointe Pescade.
    – Mit unseren Geschäften?
    – Sie könnten unleugbar besser gehen, aber sie könnten auch noch schlechter gehen.
    – Pescade?
    –

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