Mathias Sandorf
Wohin ist er?… Verschwunden?… He! Mein Herr!«
Er suchte vergebens sein »Publicum«. Es war ihm ausgekniffen. Dann blickte er Kap Matifu an, der, nicht weniger betroffen als er selbst, mit offenem Munde dastand.
»Gerade, als wir beginnen wollten! sagte endlich der Riese. Kein Glück!
– Beginnen wir trotzdem!« erwiderte Pointe Pescade und stieg die kleine Treppe hinunter, die zur Arena führte.
Auf diese Weise, indem sie vor den leeren Bänken spielten – die, nebenbei bemerkt, nicht vorhanden waren – verdienten sie sich wenigstens ihr Geld.
Gerade jetzt erhob sich auf den Quais des Hafens ein wüster Lärm. Die Menge schien nach einer sehr ausgesprochenen Richtung hin zu drängen, nach derjenigen, welche dem Meere zuführte, und von mehreren hundert Stimmen wurde der Ruf laut:
»Der Trabocolo!… Der Trabocolo!«
Der Augenblick war gekommen, in welchem das kleine Fahrzeug vom Stapel gelassen werden sollte. Dieses anziehende Schauspiel war ganz dazu angethan, die Neugier des Publicums zu erregen. Der Platz und die Quais, welche die Menge vorher angefüllt hatte, waren bald verlassen und Alles strömte der Werft zu, auf welcher der Stapellauf vor sich gehen sollte.
Pointe Pescade und Kap Matifu sahen ein, daß für den Augenblick gewiß auf keine Zuschauer zu rechnen war. Auch begierig, des einzigen Menschen wieder habhaft zu werden, der beinahe ihre Arena betreten hatte, verließen sie dieselbe, ohne sich erst die Mühe zu geben, den Eingang zu verschließen. Wogegen hätten sie ihn auch verschließen sollen? Sie gingen ebenfalls der Schiffswerft zu.
Diese befand sich außerhalb des Hafens von Gravosa, auf der äußersten Spitze einer Landzunge und einem abschüssigen Terrain, das die Brandung mit einem leichten Schaume bedeckte.
Pointe Pescade und Kap Matifu gelangten unter Anwendung ihrer Ellbogen bis in die vorderste Reihe der Neugierigen. Selbst an ihren Benefizabenden hatten sie keinen solchen Andrang vor ihrem Schaugerüste erlebt, wie hier. O, über diese Talmikunst!
Der Trabocolo, von den Stützen, die seine Seitenwände aufrecht hielten, bereits befreit, stand zum Auslaufen fertig Der Anker hing bereit an Ort und Stelle; er brauchte nur herniedergelassen zu werden, sobald sich der Kiel im Wasser befand, um dessen Lauf zu hemmen, der ihn sonst zu weit in die Fahrbahn hinausgeführt haben würde. Obgleich der Trabocolo nur auf fünfzig Tonnengehalt geaicht war, bildete er doch eine ziemlich ansehnliche Masse, zu deren Schutze alle Vorsichtsmaßregeln sorgfältig getroffen worden waren. Zwei Werftarbeiter waren auf dem Hinterdeck postirt, dicht neben dem Hinterdecksmast, an welchem die dalmatinische Flagge wehte, und zwei andere standen auf dem Bug zum Werfen des Ankers bereit.
Der Trabocolo wurde, wie üblich bei solchen Vorgängen, mit dem hinteren Theile nach vorne gewendet vom Stapel gelassen. Sein auf dem eingeseiften Gerippe ruhender Kiel wurde nur noch durch den Hemmschuh gehalten. Um das Gleiten hervorzurufen, war es nur nöthig, diesen Hemmschuh zu entfernen; die einmal in Bewegung gesetzte Masse vermehrte ihre Schnelligkeit durch das Gesetz der Schwere und das Schiff strebte von selbst seinem natürlichen Elemente zu.
Ein halbes Dutzend mit eisernen Schlägeln ausgerüsteter Zimmerleute klopften noch an den vorher bereits unter den Kiel geschobenen Klötzen umher, um diesen etwas zu heben und dadurch die Bewegung genauer zu fixiren, welche den Trabocolo in das Meer führen sollte.
Jeder folgte dieser Verrichtung mit dem lebhaftesten Interesse, während ein allgemeines Schweigen sich über die Menge lagerte.
In diesem Augenblicke erschien an der Krümmung des Vorgebirges, welches nach Süden hin den Hafen von Gravosa schützt, eine Vergnügungsyacht. Es war ein Schooner von ungefähr dreihundertfünfzig Tonnengehalt. Er versuchte durch Laviren an dem Vorsprunge vorüber zu kommen, auf dem sich die Schiffswerft befand, um glatt in den Hafen einlaufen zu können. Da die Brise aus Nordwest wehte, so kniff er mit den Halsen auf Backbord den Wind, so daß er sich von diesem nur treiben zu lassen brauchte, um seinen Ankerplatz zu erreichen. In weniger als zehn Minuten mußte der Schooner bereits die Segel streichen, und er vergrößerte sich vor den Blicken in der That so schnell, als beobachtete man ihn mittelst eines Fernglases, dessen Tubus man durch fortgesetztes Drehen verlängerte.
Um genau in die Hafeneinfahrt einzulaufen, mußte das Fahrzeug dicht vor der Werft vorüber,
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