Mathias Sandorf
Gegenstände wurden auf dem Boden des einzigen Koffers, der ihre Effecten enthielt, ihre Kleider, ihr ganzes Hab und Gut, verborgen.
Gegen Abend begaben sich Pointe Pescade und Kap Matifu an Bord der »Savarena« zurück. Eine große Cabine im vorderen Theil des Schiffes war bereits zu ihrer Verfügung gehalten, eine bequem eingerichtete, mit Allem, »was zum Schreiben gebraucht wurde«, sagte der heitere Pescade.
Die Mannschaft empfing die neuen Genossen, durch welche sie vor einem schrecklichen Schicksale bewahrt worden war, auf das Zuvorkommendste.
Pointe Pescade und Kap Matifu machten sofort nach ihrer Ankunft die Erfahrung, daß die Schiffsküche ein Bedauern über die entschwundenen Küchen provençalischer Arenas nicht aufkommen ließ.
»Siehst Du, Kap Matifu, sagte Pointe Pescade, ein Glas voll Astiwein leerend, wenn man sich gut führt, kommt man zu etwas. Gut führen muß man sich!«
Kap Matifu konnte nur durch ein Nicken mit dem Kopfe sein Einverständniß mit den Worten des Vorredners ausdrücken, denn er hatte gerade den Mund voll mit einem mächtigen Bissen gerösteten Schinkens, der mit zwei gebackenen Eiern in die Tiefen seines Magens verschwand.
»Wie groß würde unsere Einnahme sein, Kap, sagte Pescade, wenn man Dich so essen sehen könnte?«
Viertes Capitel.
Die Witwe Stephan Bathory’s.
Die Ankunft des Doctors Antekirtt hatte nicht nur in Ragusa, sondern auch in der ganzen dalmatinischen Provinz von sich reden gemacht. Die Zeitungen, nachdem sie das Eintreffen der Yacht im Hafen von Gravosa gemeldet, warfen sich mit Heißhunger auf diese Beute, die eine Reihe lockender Notizen versprach. Der Besitzer der »Savarena« konnte somit den Ehren, aber auch den Nachtheilen, die eine Berühmtheit mit sich bringt, nicht entgehen. Seine Person bildete das Gespräch des Tages. Die Sage bemächtigte sich ihrer. Man wußte nicht, wer er war, woher er kam, wohin er ging. Das mußte die Neugierde des Publicums naturgemäß vergrößern. Wenn man aber nichts weiß, ist das Feld der Vermuthungen ein ungeheures, die Einbildungskraft zieht davon den Nutzen und der, welcher am besten unterrichtet erscheint.
Die Reporter eilten, in dem Wunsche, ihre Leser befriedigen zu können, so schnell sie konnten nach Gravosa, einige kamen sogar an Bord des Schooners. Sie bekamen die Persönlichkeit, mit der die öffentliche Meinung sich unablässig beschäftigte, nicht zu Gesicht. Die Befehle waren gemessener Natur. Der Doctor empfing Niemand. Auch die Auskünfte, welche Kapitän Narsos allen Fragen der Besucher entgegensetzte, waren unveränderlich dieselben:
»Woher kommt der Herr Doctor?
– Woher es ihm gefällt.
– Und wohin fährt er?
– Wohin es ihm zu fahren beliebt.
– Aber wer ist er?
– Niemand weiß es, vielleicht weiß er selbst nicht einmal mehr als die, welche nach ihm fragen.«
Ein gutes Mittel wäre das zwar gewesen, die Neugier der Leser durch Mittheilung dieser lakonischen Antworten zu befriedigen! Doch das ging nicht gut, es folgte daraus, daß die Einbildungskraft, welcher der kurze Bescheid einen weiten Spielraum einräumte, nicht zögerte, in den kühnsten Vermuthungen umherzuschweifen. Doctor Antekirtt wußte schon im Voraus, was man von ihm wollte. Ihm war es schon recht, Alles das gewesen zu sein, was jene indiscreten Plauderer für gut befanden, ihm anzudichten. Den Einen galt er als ein Piratenchef, den Anderen als König eines mächtigen afrikanischen Staates, der incognito reiste, um sich zu unterrichten. Diese behaupteten, daß er ein verbannter Politiker wäre, Jene, daß eine Revolution ihn aus seinen Staaten getrieben hätte und er nun als Philosoph und Wißbegieriger durch die Welt streife. Die Auswahl stand frei. Was den Doctortitel anbelangte, mit dem er sich schmückte, so waren die Meinungen derer, die ihm denselben zugestanden, getheilt: nach der Ansicht der Einen war er ein großer Arzt, der in hoffnungslosen Fällen noch erfolgreiche Curen machen konnte, nach derjenigen der Anderen war er der König der Charlatans und es würde ihm sehr schwer fallen, Patente oder Diplome aufzuweisen.
Die Mediciner in Ragusa und Gravosa würden kaum in die Lage gekommen sein, den Doctor wegen ungesetzlicher Ausübung der medicinischen Praxis belangen zu können. Denn derselbe verhielt sich beständig äußerst reservirt, und wenn man ihm die Ehre einer Consultation zu Theil werden lassen wollte, so pflegte er sich stets heimlich zu entfernen.
Der Besitzer der »Savarena« hatte
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