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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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auch kein Gelaß auf dem Festlande für die Zeit seines Aufenthaltes gemiethet. Er stieg nicht einmal in einem der Hotels der Stadt ab. Während der ersten zwei Tage seines Aufenthaltes in Gravosa ging er nicht weiter als bis in die Nähe von Ragusa. Er beschränkte sich darauf, einige Spaziergänge in der Umgebung zu unternehmen und ließ sich zwei-oder dreimal von Pointe Pescade begleiten, dessen natürliche Intelligenz ihm zusagte.
    Während er selbst sich von Ragusa fern hielt, ging Pointe Pescade eines Tages für ihn dorthin. Mit dem Vertrauensauftrag beehrt, Erkundigungen für ihn einzuholen, gab der junge anstellige Mann nach der Rückkehr dem Doctor folgende Antworten auf dessen Fragen:
    »Jener wohnt also im Stradone?
    – Ja, Herr Doctor, in der schönsten Straße der Stadt. Er bewohnt ein Hotel in der Nähe des Platzes, auf welchem den Fremden der alte Dogenpalast gezeigt wird, ein prächtiges Hotel mit Dienerschaft und Wagen. Eine richtige Millionärswirthschaft.
    – Und der Andere?
    – Der Andere oder vielmehr die Anderen? erwiderte Pointe Pescade. Sie wohnen ebenfalls in diesem Stadttheile, aber ihr Haus steht wie verloren in einer der hügeligen, schmalen, gewundenen Gassen – wahre Treppen – durch welche man zu den bescheidenen Behausungen gelangt.
    – Und ihr Haus?
    – Ist niedrig, klein und bietet von außen wie von innen einen ärmlichen Anblick; ich denke mir aber, daß es äußerst sauber gehalten wird. Man merkt, daß arme, aber stolze Leute in ihm wohnen.
    – Die Dame?
    – Ich habe sie nicht gesehen und man erzählt sich, daß sie fast nie die Marinella-Straße verläßt.
    – Ihr Sohn?
    – Ich habe ihn gesehen, Herr Doctor, als er gerade zu seiner Mutter heimkehrte.
    – Und was für einen Eindruck machte er auf Dich?
    – Er schien mir etwas besorgt, ja fast beunruhigt zu sein. Man könnte sagen, daß der junge Mann schon eine Schule des Leidens durchgemacht hat. Man merkt es.
    – Du, Pointe Pescade, hast ebenfalls viel gelitten und man merkt es Dir doch nicht an.
    – Seelische und körperliche Leiden sind zweierlei, Herr Doctor. Deshalb habe ich die meinigen stets gut verbergen können und noch dabei gelacht.«
    Der Doctor sagte zu Pointe Pescade bereits »Du«, was dieser sich als eine Gunst ausgebeten hatte und Kap Matifu sollte bald den Vortheil dieser vertraulichen Anrede genießen. Der Hercules war eine zu imposante Erscheinung, als daß man sich hätte so schnell erlauben können, ihn zu duzen.
    Doctor Antekirtt hörte nach diesem Bescheide, den er von Pointe Pescade erhalten hatte, bald mit seinen Spaziergängen um Gravosa auf. Er schien irgend ein Ereigniß abzuwarten, dem er nicht durch sein Auftreten in Ragusa vorgreifen wollte, woselbst seine Ankunft auf der »Savarena« bekannt genug geworden war. Er blieb also an Bord, bis das von ihm erwartete Ereigniß eintrat.
    Am 29. Mai in der elften Stunde befahl der Doctor, nachdem er die Quais des Hafens mit dem Fernrohr gemustert, sein Boot herabzulassen; er stieg hinein und ließ sich an den Molo bringen, woselbst ein Mann auf ihn zu warten schien.
    »Er ist es, er ist es, sagte der Doctor bei sich. Ich erkenne ihn wieder, so sehr er sich auch verändert hat.«
    Dieser Mann war ein von der Bürde des Alters geknickter Greis, obwohl er erst siebzig Jahre zählte. Weiße Haare bedeckten das sich vornüber neigende Haupt. Sein Gesicht zeigte einen ernsten traurigen Ausdruck, der kaum von einem halberloschenen Blick belebt wurde; die Thränen schienen es oft benetzt zu haben. Er stand unbeweglich auf dem Quai und ließ das Boot nicht aus den Augen, seitdem es vom Schooner abgestoßen war.
    Der Doctor that absichtlich so, als bemerke er weder den Greis noch als erkenne er ihn wieder. Ihm schien nicht einmal dessen Anwesenheit aufzufallen. Doch kaum war er einige Schritte weit gegangen, so schritt der Greis auch schon auf ihn zu und sich demüthig entblößend, fragte er:
    »Herr Doctor Antekirtt?
    – Mein Name,« antwortete der Doctor und betrachtete den armen Mann, dessen Augenlider nicht einmal zuckten, als seine Augen sich auf ihn hefteten.
    Dann fragte er:
    »Wer seid Ihr, mein Freund, und was wünscht Ihr von mir?
    – Ich heiße Borik, erwiderte der Greis, und stehe im Dienste der Frau Bathory. Meine Dame ersucht Sie, ihr ein Rendezvous zu bestimmen…
    – Frau Bathory? wiederholte der Doctor. Sollte diese Dame die Witwe jenes Ungarn sein, der seinen Patriotismus mit dem Leben bezahlte?
    – Dieselbe. Obwohl Sie Frau

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