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Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht ein Jeder; Euer Genosse hat sein Leben gewagt und ich betrachte mich deshalb als seinen Schuldner.
    – O, Herr Doctor, erwiderte Pointe Pescade, Sie machen meinen Kap erröthen; da er sehr vollblütig ist, so ist es gefährlich, wenn ihm das Blut zu Kopfe steigt…
    – Gut. Ich sehe, meine Freunde, daß Ihr die Complimente nicht besonders liebt. Ich will also davon absehen. Da aber jeder Dienst…
    – Herr Doctor, ich bitte um Verzeihung, daß ich es wage, Sie zu unterbrechen, aber ich bin der Meinung, daß jede gute That ihre Vergeltung in sich selbst trägt, wenigstens behaupten es die Bücher über die Moral; wir sind also belohnt genug.
    – Schon? Und wie? fragte der Doctor in der Furcht, es könnte ihm schon Jemand vorgegriffen haben.
    – Gewiß! Nach der gestrigen außergewöhnlichen Kraftprobe unseres Hercules wollte das Publicum auch ein Urtheil über seine sonstigen künstlerischen Fähigkeiten gewinnen. Es strömte in Menge in unsere provençalische Arena. Kap Matifu warf ein halbes Dutzend der kräftigsten Gebirgsleute und der robustesten Packträger von Gravosa in den Sand und wir hatten dadurch eine riesige Einnahme.
    – Riesig?
    – Ja… beispiellos in unseren akrobatischen Tournées. – Und wie viel betrug diese »riesige« Einnahme?
    – Zweiundvierzig Gulden!
    – Wirklich?… Das wußte ich nicht, antwortete Doctor Antekirtt mit gutgemeinter Spöttelei. Wenn ich geahnt hätte, daß Ihr eine Vorstellung geben würdet, so hätte ich mir ein Vergnügen daraus gemacht, ihr ebenfalls beizuwohnen. Ihr werdet mir trotzdem erlauben, meinen Platz zu bezahlen.
    – Heute Abend, Herr Doctor, heute Abend, wenn Sie unsere Kämpfe durch Ihre Gegenwart verherrlichen wollen.«
    Kap Matifu verbeugte sich höflich, wobei seine breiten Schultern hin und her wogten, »die noch nie den Staub geküßt hatten«, wie sich das Programm aus dem Munde Pointe Pescades ausdrückte.
    Doctor Antekirtt sah ein, daß die Akrobaten schwerlich zu bewegen sein würden, eine Belohnung in Form eines Geldgeschenkes von ihm anzunehmen. Er beschloß, anders zu verfahren. Sein Plan stand auch schon seit dem vorausgegangenen Tage bei ihm fest. Die Erkundigungen, die er noch am Abend vorher eingezogen hatte, hatten erhellt, daß beide Akrobaten ehrenhafte Leute und jedes Vertrauens würdig waren.
    »Wie nennt Ihr Euch? fragte er.
    – Ich kenne mich nur unter dem Namen Pointe Pescade, Herr Doctor.
    – Und Ihr heißt?
    – Matifu.
    – Kap Matifu, ergänzte Pointe Pescade; er sprach den vollen Namen, der in allen Arenen Südfrankreichs einen guten Klang hatte, mit nicht zu verkennendem Stolze aus.
    – Das sind doch nur angenommene Namen? bemerkte der Doctor.
    – Wir besitzen keine anderen, erwiderte Pointe Pescade, wenn wir wirklich andere gehabt haben, so sind sie uns unterwegs durch unsere zerrissenen Taschen abhanden gekommen.
    – Und… Eure Eltern?
    – Eltern, Herr Doctor? Wir haben uns diesen Luxus nie erlaubt. Wenn wir eines Tages reich werden sollten, so finden sich vielleicht noch welche, die uns beerben wollen.
    – Ihr seid Franzosen? Aus welchem Theile des Landes?
    – Aus der Provence, antwortete Pointe Pescade stolz, wir sind also doppelte Franzosen.
    – Ihr seid stets bei guter Laune, Pointe Pescade?
    – Mein Beruf erfordert das. Stellen Sie sich einen Hanswurst vor, Herr Doctor, einen Hauswurst auf dem Schaugerüst, der die Ohren hängen läßt. Es würden ihm in einer Stande mehr Aepfel an den Kopf fliegen, als er Zeit seines Lebens essen kann. Ich bin stets vergnügt, sehr vergnügt; das muß so sein.
    – Und Kap Matifu?
    – O, Kap Matifu ist ernster, gesetzter, mehr nach innen, sagte Pointe Pescade und klopfte diesen zärtlich, als hätte er ein Pferd vor sich, dem er schmeicheln wollte. Zu seinem Amte gehört der Ernst. Wenn man mit fünfzig Pfunden jonglirt, so muß man sehr ernst sein. Wenn man ringt, so ringt man nicht nur mit den Armen, sondern auch mit dem Kopfe. Und Kap Matifu hat stets gerungen… selbst mit dem Elend. Und es hat ihn noch nicht zu Boden geworfen!«
    Doctor Antekirtt hörte mit Interesse dem braven Menschen zu, dessen bisheriges Schicksal gewiß hart genug gewesen war, der aber deshalb doch nicht mit diesem haderte. Er durchschaute, daß in ihm ebenso viel Gemüth als Schlauheit steckte und dachte darüber nach, was aus ihm hätte werden können, wenn ihm das Leben von Anfang an reichliche Mittel in die Hand gegeben haben würde.
    »Und wohin geht Ihr von hier aus? fragte er

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