Mathias Sandorf
Briefe ersah ich, daß es sich bei dem Besuche bei Ihnen vielleicht um meine eigenen Interessen handeln könnte.
– So ist es, Herr Bathory, und da ich wohl weiß, wie groß die Hingebung Ihrer Frau Mutter während der Jugend ihres Sohnes gewesen ist, da ich auch weiß, daß Sie sich derselben würdig gezeigt haben und nach harten Prüfungen ein Mann geworden sind….
– Ein Mann! erwiderte Peter Bathory mit Bitterkeit. Ein Mann, der noch nicht einmal für sich selbst sorgen, geschweige der Mutter zurückerstatten kann, was sie für ihn gethan hat.
– Mag sein, sagte der Doctor, doch tragen Sie nicht die Schuld. Ich weiß genau, wie schwer es ist, sich bei dieser Concurrenz einen Platz zu verschaffen, während so viele tüchtige Kräfte um so wenige offene Stellungen ringen. Sie sind Ingenieur?
– Ja, Herr Doctor! Ich habe die Akademie mit diesem Titel verlassen, bin aber ungebunden und habe keine Berechtigung zum Staatsdienste. Ich habe versucht, bei irgend einer industriellen Unternehmung anzukommen, aber bis jetzt, wenigstens in Ragusa, nichts gefunden, was mir zusagen könnte.
– Und außerhalb?
– Außerhalb…, erwiderte Peter Bathory und stockte.
– Ja. Sind Sie nicht vor einigen Tagen behufs Meldung zu einer Stellung nach Zara gereist?
– Man hat mir allerdings von einer solchen erzählt, die bei einem metallurgischen Unternehmen offen stehen sollte.
– Und diese Stellung?
– Ist mir auch angeboten worden.
– Sie haben sie nicht angenommen?
– Ich glaubte sie ausschlagen zu müssen, weil ich mich endgiltig in der Herzegowina hätte niederlassen müssen.
– In der Herzegowina? Hätte Frau Bathory Sie dorthin nicht begleiten können?
– Meine Mutter wäre mir gewiß überallhin gefolgt, wohin mein Interesse mich zu gehen genöthigt hätte.
– Warum also haben Sie das Angebotene ausgeschlagen? fragte der Doctor eindringlich.
– In der Lage, in der ich mich augenblicklich befinde, Herr Doctor, meinte Peter, verpflichten mich ernsthafte Gründe, Ragusa nicht zu verlassen.«
Der Doctor bemerkte, daß eine gewisse Verlegenheit in dem Wesen Peter Bathory’s sich bei dieser Antwort geltend machte. Seine Stimme zitterte bei der Offenbarung dieses Wunsches, stärker gesagt dieses Entschlusses, Ragusa nicht zu verlassen. Es konnte nur ein sehr gewichtiger Grund sein, der ihn veranlaßt hatte, die ihm gemachten Vorschläge von der Hand zu weisen.
»– Dann wird auch die Angelegenheit hinfällig, wegen der ich mit Ihnen zu reden hatte, sagte Doctor Antekirtt.
– Es handelt sich um eine Abreise?
– Ja, in ein Land, in dem ich umfangreiche Arbeiten ausführen lassen will. Ich wäre glücklich gewesen, dieselben unter Ihrer Leitung zu wissen.
– Ich bedaure ebenfalls, Herr Doctor, doch glauben Sie mir wohl, daß ich, nachdem ich einmal den Entschluß gefaßt habe…
– Ich glaube es, Herr Peter, und bedaure es vielleicht mehr als Sie! Ich hätte mich gefreut, auf Sie die volle Neigung übertragen zu können, welche ich für den Vater gefühlt habe.«–
Peter Bathory antwortete nicht. Er litt unsäglich durch einen inneren Kampf. Der Doctor fühlte, daß er sprechen wollte, aber es nicht wagte. Und doch zog etwas Unwiderstehliches Peter Bathory zu diesem Manne hin, der so viel Sympathien für seine Mutter und ihn selbst zeigte
»Herr Doctor, sagte er mit nicht zu verhehlender Bewegung, glauben Sie nicht, daß es eine Laune oder Eigensinn von mir ist, wenn ich Ihnen absage. Sie haben zu mir als Freund Stephan Bathory’s gesprochen. Sie beabsichtigten Ihre Freundschaft für ihn auf mich zu übertragen. Auch ich fühle für Sie, Herr Doctor, obgleich ich Sie erst seit wenigen Augenblicken kenne. Ja, Herr Doctor, ich fühle für Sie dieselbe Liebe, welche ich für meinen Vater empfunden habe.
– Peter! Mein lieber Junge! rief der Doctor und ergriff die Hand Peters mit warmem Drucke.
– Ja, Herr Doctor, Ihnen will ich auch Alles sagen. Ich liebe ein junges Mädchen aus dieser Stadt. Doch gibt es zwischen uns Beiden einen Abgrund, denjenigen, der die Armuth vom Reichthume trennt. Ich habe diesen Abgrund nicht sehen wollen und vielleicht hat auch sie nicht an ihn gedacht. So selten ich sie auch am Fenster oder auf der Straße bemerke, so ist das für mich ein Glück, dem ich nicht entsagen kann. Bei der bloßen Idee, daß ich fort von hier muß, und vielleicht auf lange Zeit, werde ich schon schwindlich. Nun, Herr Doctor, begreifen Sie… und verzeihen mir vielleicht meine
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