Mathias Sandorf
Schicksal ein Paroli zu biegen, nicht im Stiche lassen?
»Nein, ich werde kämpfen! rief er. Eine solche Liebe ist hassenswerth, verbrecherisch. Wenn Peter Bathory der Gatte der Tochter von Silas Toronthal geworden ist und eines Tages die Wahrheit erfährt, würde er seinen Vater nicht mehr rächen können. Es bliebe ihm nichts weiter übrig, als sich aus Verzweiflung zu tödten… Ich werde ihm also, wenn es sein muß, Alles sagen… Ich werde ihm erzählen, was diese Familie der seinigen angethan hat… Ich werde diese Liebe, gleichviel wie, vernichten.«
Eine solche Verbindung wäre in der That ungeheuer gewesen.
Man möge Folgendes nicht vergessen: In seiner Unterhaltung mit Frau Bathory hatte der Doctor erwähnt, daß die drei Führer der Verschwörung in Triest die Opfer einer erbärmlichen List geworden waren, wie es sich im Verlaufe der Verhandlungen herausgestellt, und daß eine Indiscretion eines der Thurmwächter von Pisino ihm dieselbe mitgetheilt hatte.
Man wird sich ferner erinnern, daß Frau Bathory aus gewissen Gründen ihrem Sohne nichts von dem Verrathe erzählt hatte, deren Urheber sie auch nicht kannte. Sie wußte nicht, daß der Eine, reich und angesehen, in Ragusa, nicht weit von ihr im Stradone wohnte. Der Doctor hatte jene nicht genannt. Warum? Wahrscheinlich weil die Zeit noch nicht gekommen war, sie zu entlarven. Er kannte sie aber. Er wußte, daß Silas Toronthal Einer dieser Verräther war, und Sarcany der Andere. Und wenn er in seinen vertraulichen Mittheilungen nicht weiter als bis hierher gegangen war, so hatte er es gethan, weil er auf die Hilfe Peter Bathory’s rechnete, weil er den Sohn theilnehmen lassen wollte an dem Werke der Gerechtigkeit, die über die Mörder seines Vaters hereinbrechen sollte und mit ihm dessen beide Gefährten, Ladislaus Zathmar und Mathias Sandorf rächen.
Deshalb konnte er auch dem Sohne Stephan Bathory’s nicht mehr sagen, wollte er ihm nicht das Herz brechen.
Nachdem Doctor Antekirtt diesen Entschluß einmal gefaßt hatte, war die nächste Frage, wie sollte er weiter vorgehen? Sollte er Frau Bathory oder ihrem Sohne die Vergangenheit des Triester Banquiers enthüllen? Besaß er denn die thatsächlichen Beweise des Verrathes? Gewiß nicht, da Mathias Sandorf, Stephan Bathory und Ladislaus Zathmar, die Einzigen, welche je solche Beweise in Händen gehabt hatten, todt waren. Sollte er in der Stadt das Gerücht jener That niedriger Gesinnungsart verbreiten lassen, ohne die Familie Bathory davon zu unterrichten? Ja, das hätte zweifellos genügt, um einen neuen Abgrund zwischen Peter und dem jungen Mädchen zu schaffen – diesmal eine unüberschreitbare Kluft. Doch wenn dieses Geheimniß einmal bekannt geworden war, stand nicht zu erwarten, daß Silas Toronthal sich beeilen würde, Ragusa zu verlassen?
Der Doctor wollte aber durchaus nicht, daß der Banquier verschwand. Der Verräther mußte von dem Rächer zu erreichen sein, wenn die Stunde der Gerechtigkeit schlug.
Zu diesem Zwecke mußten die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen, als er sich bisher vorstellte.
Der Doctor war, nachdem er das Für und das Gegen der Frage reiflich erwogen, zu dem Entschlusse gelangt, nicht direct gegen den Banquier vorzugehen, aber doch so schnell als möglich zu handeln. Vor allem mußte Peter Bathory aus dieser Stadt entfernt werden, in welcher die Ehre seines Namens Gefahr lief. Ja! Er mußte versuchen, ihn so weit fortzubringen, daß Niemand seine Spur entdecken konnte. Hatte er ihn einmal in seiner Macht, so wollte er ihm Alles sagen, was er von Silas Toronthal und seinem Mitschuldigen Sarcany wußte; er wollte ihn theilnehmen lassen an seinem Werke. Nicht ein Tag war zu verlieren.
Zu diesem Zwecke ließ eine Depesche des Doctors von seinem Ankerplatze eines seiner schnellsten Beförderungsschiffe an die Bucht von Cattaro, südlich von Ragusa, kommen. Es war einer jener wunderbaren Thornycrofts, welche den heutigen Torpedobooten als Muster gedient haben. Der einundvierzig Meter lange, spindelförmige, stählerne Rumpf von siebzig Tonnen Tragkraft führte weder Mast noch Schornstein, sondern zeigte äußerlich nur eine Plattform und ein metallenes Gehäuse mit linsenförmigen Luftöffnungen, welches dem Steuermanne zum Aufenthalte diente und luftdicht verschlossen werden konnte, wenn der Zustand des Meeres es erforderte. Dieses Fahrzeug konnte bei Wind und Wetter vorwärts kommen, ohne durch das Wellengewoge der hohlen See Zeit und Cours zu verlieren. Mit
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