Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mathias Sandorf

Mathias Sandorf

Titel: Mathias Sandorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
denjenigen erzogen, den sie noch jetzt beweint. Alles, was er versucht, was er gethan hat, sein ganzes Leben voll Ergebenheit für die Seinigen, voll Patriotismus für sein Land, ich kenne es durch sie. Als mein Vater starb, war ich erst acht Jahre alt, doch scheint es mir, als lebe er noch immer, da er mir in meiner Mutter neu erstanden ist.
    – Sie lieben Ihre Frau Mutter, wie sie geliebt zu werden verdient, Herr Peter Bathory, sagte der Doctor, und wir, wir verehren sie als die Witwe eines Märtyrers.«
    Peter dankte dem Doctor für die Gefühle, die er ausgesprochen. Sein Herz schlug ihm hörbar und er bemerkte selbst nicht, daß der Doctor mit einer ersichtlichen, natürlichen oder beabsichtigten, Kälte sprach, welche den Kern seines Wesens zu bilden schien.
    »Darf ich fragen, ob Sie meinen Vater persönlich gekannt haben, Herr Doctor? begann Peter Bathory von Neuem.
    – Ja, Herr Bathory, erwiderte der Doctor mit leisem Zögern, doch habe ich ihn nur gekannt, wie ein Student einen Professor kennt, der eine der Zierden der ungarischen Universitäten gewesen ist. Ich habe meine medicinischen und physikalischen Studien in Ihrem Vaterlande durchgemacht. Ich war der Schüler Ihres Vaters, trotzdem er nur vielleicht zwölf Jahre älter war als ich. Ich lernte ihn schätzen, lieben, denn ich fühlte in seinen Lehren schon das vibriren, was er später als glühender Patriot gethan hat und ich verließ ihn erst in dem Augenblick, als ich mich anschickte, in fremden Ländern meine in Ungarn begonnenen Studien zu vollenden. Kurz darauf mußte Stephan Bathory seinen für gerecht und edel erkannten Ideen seine Stellung opfern, ohne daß irgend welche Privatinteressen im Stande gewesen wären, ihn vom Wege der Pflicht abzulenken. Er verließ Preßburg, um sich in Triest niederzulassen. Ihre Frau Mutter hat ihm mit Rathschlägen und liebender Sorgfalt in den Tagen der Prüfung zur Seite gestanden. Sie besaß alle Tugenden der Frau, wie Ihr Vater diejenigen des Mannes besaß. Sie werden mir vergeben, Herr Peter, wenn ich schmerzliche Erinnerungen in Ihnen wachgerufen habe; ich habe es gethan, weil ich voraussetzen durfte, daß Sie nicht zu denen gehören, die derartiges vergessen können.
    – Nein, Herr Doctor, nein! rief Peter mit jugendlicher Begeisterung, ebenso wenig wie Ungarn jemals die drei Männer vergessen kann, die sich für dasselbe geopfert haben: Ladislaus Zathmar, Stephan Bathory und den Kühnsten unter ihnen, Mathias Sandorf.
    – Wenn er auch der Kühnste war, erwiderte der Doctor, so dürfen Sie mir schon glauben, daß seine beiden Freunde ihm ebenbürtig an Ergebenheit, Opferfreudigkeit und Muth waren. Alle drei haben Anrecht auf die gleiche Achtung. Alle drei haben dasselbe Anrecht, gerächt zu werden!«
    Der Doctor schwieg. Er wußte nicht, ob Frau Bathory dem Sohne wiedererzählt hatte, unter welchen Umständen die Verschwörer gefangen genommen worden waren, ob sie vor ihm das Wort Verrath gebraucht hatte. Der junge Mann griff es nicht auf. Frau Bathory hatte allerdings hierüber geschwiegen. Sie wollte jedenfalls das Leben ihres Sohnes vom Haß freihalten und ihn nicht erst auf falsche Fährten leiten, da Niemand die Namen der Verräther kannte.
    Der Doctor hielt sich für den Augenblick zu gleicher Zurückhaltung verpflichtet und stand vom weiteren Verfolgen des Gedankens ab.
    Er zögerte aber nicht, zu betonen, daß ohne das gemeine Vorgehen des Spaniers, der die vom Fischer Andrea Ferrato aufgenommenen Flüchtlinge verrieth, Graf Mathias Sandorf und Stephan Bathory voraussichtlich den Nachstellungen der Polizei in Rovigno entgangen wären. Wären sie einmal, gleichviel in welcher Richtung, über die österreichischen Grenzen entkommen, so hätten ihnen gewiß alle Thüren offengestanden.
    »Bei mir, setzte er hinzu, hätten sie sicher ein Obdach gefunden, in dem sie stets geborgen gewesen wären.
    – In welchem Lande, Herr Doctor? fragte Peter.
    – Ich wohnte damals auf Cephalonia.
    – Ja, ja! Auf den ionischen Inseln, unter dem Schutze Griechenlands wären sie gerettet gewesen und mein Vater noch am Leben.«
    Die Unterhaltung wurde einen Augenblick unterbrochen. Die Gedanken schweiften in die Vergangenheit zurück. Der Doctor begann dann von Neuem:
    »Ihre Erinnerungen, Herr Peter, haben Sie etwas der Gegenwart entrückt. Wünschen Sie, daß wir jetzt von etwas Anderem, namentlich von Ihrer eigenen Zukunft, wie ich sie mir denke sprechen?
    – Ich höre, Herr Doctor, sagte Peter. Aus Ihrem

Weitere Kostenlose Bücher