Mathias Sandorf
in arabischer Sprache die Worte vernehmen können:
»Es ist Zeit, daß er kommt.«
Eine Viertelstunde später langte Peter auf dem Quai von Gravosa an. Er blieb einige Augenblicke stehen, um die elegante Yacht zu betrachten, deren Wimpel an der Spitze des Großmastes in der schwachen Meerbrise sich kaum entfaltete.
»Woher mag dieser Doctor Antekirtt stammen? fragte er sich. Die Flagge ist mir unbekannt.«
Er wandte sich an einen auf dem Quai umherwandelnden Seemann mit der Frage:
»Kennen Sie jene Flagge, mein Freund?«
Der Seemann kannte sie auch nicht. Alles, was er ihm sagen konnte, war, daß die Yacht aus Brindisi gekommen war und daß ihre von der Hafenbehörde gemusterten Papiere in Ordnung waren. Da die Yacht als ein Vergnügungsfahrzeug angemeldet war, so hatte die Behörde das Incognito respectirt.
Peter Bathory rief ein Boot an und ließ sich an Bord der »Savarena« bringen, während die äußerst überraschte Marokkanerin ihn sich entfernen sah.
Bald darauf betrat der junge Mann das Deck des Schooners und fragte nach dem Doctor Antekirtt.
Der Befehl, der jeden Fremden von dem Betreten der »Savarena« ausschloß, schien für ihn nicht vorhanden zu sein. Der Quartiermeister gab ihm zur Antwort, daß sich Doctor Antekirtt auf seinem Zimmer befände. Peter Bathory gab seine Karte ab und bat zu fragen, ob der Doctor ihn empfangen würde.
Doctor Antekirtt saß in dem dunkleren Theile des Gemaches. (S. 226.)
Ein Matrose ging mit derselben die Treppe hinunter, die zu den hinteren Salons führte.
Eine Minute später kehrte der Matrose mit der Meldung zurück, daß der Doctor Herrn Peter Bathory erwarte.
Der junge Mann wurde sofort in den Salon geleitet, in dem ein durch die leichten Vorhänge an den Luken verursachtes Halbdunkel vorherrschte. Als er an der Thür anlangte, deren beide Flügel offen standen, wurde er von dem vollen Lichte, das aus den Spiegelgläsern an der Decke zurückstrahlte, getroffen.
Doctor Antekirtt saß in dem dunkleren Theile des Gemaches auf einem Divan. Er fühlte beim Eintritt des Sohnes von Stephan Bathory sich lebhaft überrascht, was Peter allerdings nicht bemerken konnte; ebenso konnte er die Worte nicht hören, die über des Doctors Lippen drangen:
»Ganz er…! Ganz sein Ebenbild!«
Peter Bathory ähnelte seinem Vater in der That augenfällig; anders konnte dieser im Alter von zweiundzwanzig Jahren auch nicht ausgesehen haben: dieselbe Willenskraft blickte aus den Augen, derselbe Adel der Haltung, derselbe Blick, bereit, sich für das Gute, Wahre, Schöne zu begeistern.
»Ich freue mich, Herr Bathory, sagte der Doctor, indem er sich erhob, daß Sie meiner an Sie gerichteten Aufforderung gefolgt sind.«
Und auf eine einladende Bewegung hin nahm Peter ihm gegenüber auf der anderen Seite des Salons Platz. Der Doctor hatte sich der ungarischen Sprache bedient, weil er wußte, daß Peter Bathory ihrer mächtig war.
»Ich würde hergekommen sein, antwortete Peter, um Ihnen, Herr Doctor, den Besuch zu erwidern, den Sie meiner Mutter gemacht haben, selbst wenn Sie mich nicht aufgefordert hätten, zu Ihnen an Bord zu kommen. Ich weiß, daß Sie einer der unbekannten Freunde sind, denen das Andenken meines Vaters und der mit ihm zusammen gestorbenen zwei Vaterlandsfreunde heilig ist. Ich danke Ihnen herzlich dafür, daß Sie ihm einen Platz in Ihrer Erinnerung bewahrt haben.«
Peter Bathory konnte, als er die ferne Vergangenheit heraufbeschwor, von seinem Vater und dessen Freunden, den Grafen Mathias Sandorf und Ladislaus Zathmar sprach, seine Rührung nicht unterdrücken.
»Ich bitte um Verzeihung, Herr Doctor, sagte er. Wenn ich daran denke, was sie gethan haben, so kann ich nicht…«
Fühlte er wirklich nicht, daß Doctor Antekirtt noch bewegter als er selbst war und daß er nur deshalb nicht gleich antwortete, um nicht zu zeigen, was in seinem Innern vorging?
»Herr Bathory, sagte er endlich, ich habe Ihrem ganz natürlichen Schmerze nichts zu vergeben. Sie sind auch Ungar von Geburt und welcher Sohn seines Vaterlandes wäre so entartet, daß er sich von solchen Erinnerungen nicht schmerzlich bewegt fühlen würde. Damals, vor fünfzehn Jahren – ja, fünfzehn Jahre sind es bereits her – waren Sie noch sehr jung. Sie können kaum behaupten, daß Sie Ihren Vater gekannt haben und die Ereignisse, an denen er betheiligt war.
– Meine Mutter ist, sozusagen, seine zweite Hälfte, Herr Doctor, antwortete Peter Bathory. Sie hat mich in dem Glauben an
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