Mathias Sandorf
wäre auch zweifellos erfolgt, wenn nicht die Marokkanerin nach Absendung jener Depesche Ragusa verlassen haben würde, um sich an einem vorher verabredeten Orte mit Sarcany zu treffen. Pointe Pescade fühlte sich also in seinen Operationen durchaus nicht genirt und konnte sich seines Auftrages mit seiner gewohnheitsmäßigen Geschicklichkeit entledigen.
Peter Bathory wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß er in der allernächsten Nähe beobachtet wurde; er hätte nie geahnt, daß die Augen jener Spionin von denen Pointe Pescade’s abgelöst worden waren. Nach seiner Unterredung mit dem Doctor, nach dem Geständniß, das er ihm abgelegt, fühlte er sich vertrauensseliger als je. Warum hätte er auch jetzt noch die Unterhaltung, die er an Bord der »Savarena« gehabt, der Mutter verheimlichen sollen? Würde sie nicht so wie so in seinen Blicken wie in seiner Seele gelesen haben? Würde sie nicht sofort bemerkt haben, daß eine Veränderung mit ihm vorgegangen war, daß der Kummer, die Verzweiflung in ihm der Hoffnung und dem Glücke Platz gemacht hatten.
Peter Bathory berichtete also Alles seiner Mutter. Er erzählte ihr, wer diese junge Dame war, die er liebe, daß er ihretwegen Ragusa nicht habe verlassen wollen. Ihre gesellschaftliche Stellung mache so gut wie nichts aus. Doctor Antekirtt habe ihm ja gesagt, daß er hoffen könne.
»Also deshalb hast Du so viel gelitten, mein Kind, erwiderte Frau Bathory. Möge Gott Dir beistehen und Dir das volle Glück gewähren, welches Dir bis jetzt gefehlt hat.«
Frau Bathory lebte sehr zurückgezogen in dem Hause der Marinella-Straße. Sie ging mit ihrem alten Diener nur zur Messe, da sie ihre religiösen Pflichten mit der strengen und überzeugten Frömmigkeit der katholischen Ungarn erfüllte. Sie hatte noch nie von der Familie Toronthal reden gehört. Ihr Blick hatte sich noch nie zu dem Hotel erhoben, an dem sie vorüberging, wenn sie sich zur Erlöser-Kirche begab, die mit dem Franziskaner-Kloster verbunden, fast am Eingange zum Stradone liegt. Sie kannte also die Tochter des früheren Banquiers von Triest gar nicht.
Peter mußte sie ihr körperlich und seelisch schildern, ihr sagen, wo er sie zum ersten Male gesehen hatte, woran er erkannte, daß seine Liebe erwidert wurde. Alle diese Einzelheiten berichtete er mit einem Eifer, daß Frau Bathory nicht wenig erstaunt war, in ihrem Sohne ein so zärtliches und leidenschaftliches Gefühl zu entdecken.
Als aber Peter von der Stellung berichtete, welche die Familie Toronthal einnahm, als sie erfuhr, daß das junge Mädchen eine der reichsten Erbinnen Ragusas wäre, konnte sie ihre Besorgniß nicht unterdrücken. Würde der Banquier jemals einwilligen, daß sein einziges Kind die Frau eines Mannes ohne Mittel, ja fast ohne Zukunft würde?
Peter hielt es jedenfalls nicht für nöthig, die Kälte, ja fast die Verachtung zu erwähnen, mit der Silas Toronthal ihn bis jetzt behandelt hatte. Er begnügte sich, die Worte des Doctors zu wiederholen. Dieser hatte betheuert, daß er zum Freunde seines Vaters Vertrauen haben könnte, sogar müßte, daß er für ihn ein geradezu väterliches Wohlwollen empfände, woran Frau Bathory allerdings nicht zweifeln durfte, wußte sie doch, was der Doctor für sie und die Ihrigen bereits hatte thun wollen. Sie glaubte schließlich ebenso wie ihr Sohn und wie Borik, der seine Meinung auch aussprechen zu müssen glaubte, einer guten Hoffnung leben zu können und so war ein Schimmer des Glückes in das bescheidene Haus in der Marinella-Straße eingezogen.
Peter Bathory empfand diese Freude noch, als er am folgenden Sonntage Sarah Toronthal in der Kirche der Franziskaner wiedersah. Das stets traurige Gesicht des jungen Mädchens heiterte sich auf, als sie Peter wie umgewandelt sah. Beide sprachen sich mit den Blicken und verstanden sich. Und als Sarah lebhaft angeregt in ihr Heim zurückkehrte, trug sie ein gutes Theil des Glückes mit hinein, das sie so deutlich auf dem Antlitze des jungen Mannes hatte lagern sehen.
Peter sah den Doctor nicht wieder. Er erwartete eine Einladung, an Bord der Yacht zu kommen. Mehrere Tage verflossen, doch kein zweiter Brief forderte ihn zu einem abermaligen Zusammentreffen auf.
»Der Doctor wird jedenfalls erst Erkundigungen einziehen wollen, überlegte er. Er wird selbst nach Ragusa gekommen sein oder geschickt haben, um sich einige Auskünfte über die Familie Toronthal zu verschaffen…. Vielleicht wollte er auch Sarah erst persönlich kennen
Weitere Kostenlose Bücher