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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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verteilt es sich aufs Ganze, und von Kuten-Einliegen is keine Rede. Und wenn auch, Mutter.
    Wer was will, der muß auch was einsetzen. Er sieht dann, daß wir ihm unser Bestes geben, und wie ich ihn kenne, wird ihn das rühren, denn er hat was Edles, das heißt so auf seine Art. Zuviel darf man von ihm nich verlangen.«
     
    Gleich am Tage, wo dies Gespräch geführt wurde, wurde Hugo Großmann in die Möhringsche gute Stube herübergenommen und auf der Chaiselongue installiert. Er nahm sich da ganz gut aus. Ein kleines Tischchen stand neben ihm, mit einem Heliotrop darauf. Er roch aber zu stark und wurde durch weiße Astern ersetzt. Auf einem grünen Weinblatteller lagen zwei Apfelsinen. Daneben eine Klingel, bloß als Putzstück, denn Mutter und Tochter waren immer da und brauchten nicht erst zitiert zu werden.
     
    Der Arzt war mit dieser Umlogierung sehr zufrieden und sagte, als er mit Hugo allein war, allerlei Verbindliches über so »gute Menschen«, in deren ganzem Verhalten sich die einzig wahre Bildung ausspräche, die Herzensbildung. Fräulein Mathilde sei übrigens überhaupt gebildet und, wenn man ihren Kopf öfter gesehn und sich so mehr hineingelebt habe, fast eine Schönheit.
    Draußen im Entree standen Mutter und Tochter und stellten allerlei Fragen, was wohl für den Kranken erlaubt sei und was nicht. »Immer in Dämmer«, sagte der Doktor, »am besten ist es, wenn er auch in einem geistigen Dämmer bleibt.«
    »Aber wir dürfen doch mit ihm reden?«
    »Gewiß, liebe Frau Möhring, alles, was Sie wollen. Bloß nichts Aufregendes.«
    »Oh, du mein Gott, wie werd ich denn was Aufregendes...«
    »Und Vorlesen ist vielleicht auch erlaubt?« unterbrach Thilde, die sah, daß sich die Alte noch weiter über das »Aufregende« verbreiten wollte.
    »Ja, Vorlesen geht, aber nicht viel und nichts Schweres.«
    Als sie wieder bei Hugo eintraten, erzählte ihm Thilde, was der Doktor alles erlaubt habe, nur immer abends ein grüner Lichtschirm, eine grüne Lampenglocke sei nicht genug, und wenn er Lust hätte, so dürfte ihm auch was vorgelesen werden, drei-, viermal des Tages, aber nie länger als eine halbe Stunde.
    Hugo nickte sehr erfreut, denn sein Kranksein fing ihm an langweilig zu werden, und als Thilde fragte, »was er denn wohl wünsche? Bücher seien ja da die Hülle und Fülle«, da sagte er: Ja, die Geschichte von Zola, wo das Paradies drin vorkäme, die möchte er wohl hören, er sei grade bis dahin gekommen, wo das Paradies beschrieben würde. Freilich, es käme so manches darin vor, und er wisse nicht, ob er an Fräulein Thilde das Ansinnen stellen dürfe...
    Thilde merkte gleich, daß er dies in Erinnerung an das kurze Jungfrau-von-Orleans- und Dunois-Gespräch sagte, darin sie den »Bastard«, übrigens sehr taktvoll, abgelehnt hatte, und wenn sie damals geglaubt hatte, sich den sittlichen Standpunkt sichern zu müssen, so hatte sie jetzt das Gefühl, daß man den Bogen der Sittlichkeit und den Eindruck des Engen und Kleinlichen, was immer eng und kleinlich und spießbürgerlich wirkte, nicht überspannen dürfe. Sie sagte denn also, während sie sich an das Fußende der Chaiselongue stellte und mit einem gewissen sittlichen Ernst zu ihm hinübersah, in der Schilderung des Paradieses, wenn auch ein Sündenfall darin vorkäme, der ja fast dazu gehöre, sähe sie kein Hindernis. Auf einem so niedrigen Standpunkte stünde sie nicht. Ein Mädchen müsse freilich auf sich halten, im Leben und im Gespräch und in Theaterstücken, und dürfe nicht alles sehn und hören wollen, denn grade die Neugier sei ja der Versucher gewesen, aber ein Mädchen müsse sich auch vor Prüderie zu bewahren wissen, wenn ihr ihr Gefühl sage, selbst das Stärkste stehe hier um einer großen Sache willen. Und das sei nicht bloß in Theaterstücken und Romanen so, das sei auch schon so beim Lernen und im Konfirmandenunterricht. Sie habe früher bei Pastor Messerschmidt aus der Bibel vorlesen müssen. Da wären mitunter furchtbare Worte gekommen, und sie denke noch mitunter mit Schrecken daran zurück. Aber immer, wenn sie gemerkt hätte, »jetzt kommt es«, dann habe sie sich zusammengenommen und die Worte ganz klar und deutlich und mit aller Betonung ausgesprochen. Wie Luther.
    Hugo nickte nur und fand bestätigt, was Doktor Bolle eben über Thilde gesagt hatte. Wie richtig, wie gebildet war das alles, und er freute sich über ihre tapferen und aufgeklärten Ansichten. »Es ist ein merkwürdiges Mädchen«, so gingen seine

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