Mathilde Möhring
Betrachtungen, »nicht eigentlich schön, wenn man sie nicht zufällig im Profil sieht, aber klug und tapfer, ich möchte sagen, ein echtes deutsches Mädchen, charaktervoll, ein Wesen, das jeden glücklich machen muß, und von einer großen Innerlichkeit, geistig und moralisch. Ein Juwel.«
Achtes Kapitel
In dieser Richtung gingen von Stund an Hugos Gedanken, und als er eine Woche vor Weihnachten wieder in sein eignes Zimmer hinüberquartiert wurde, was der alten Möhring, die nicht über den Tag hinaus zu rechnen verstand, eine gewisse Genugtuung verursachte, stand es bei Hugo fest, daß Thilde die Frau sei, die für ihn passe. So gewiß er sich für einen ästhetisch fühlenden und mit einer latenten Dichterkraft ausgerüsteten Menschen hielt, so war er im Leben selbst doch von großer Bescheidenheit, beinah demütig, und hatte kein rechtes Vertraun zu seinem Wissen und Können. »Ich bin ein unnützer Brotesser«, hatte er zu Rybinski gesagt, der ihn lachend mit der Versicherung getröstet hatte, »dann gerade schmeckt es am besten«, was Hugo mit einer gewissen Wehmut akzeptiert hatte. Seine Beurteilung seiner selbst war richtig, und weil sie richtig war, war auch das richtig, daß Thilde für ihn passe. Sie hatte grade das, was ihm fehlte, war quick, findig, praktisch. Er wollte sich noch vor Weihnachten ihres Jaworts versichern. Daß ihm dies Ja nicht versagt werden würde, davon hielt er sich überzeugt, denn schließlich war er doch immer ein Burgemeisterssohn mit Vollbart, während Thilde, soviel sah er wohl, auf Geburtsstolz verzichten mußte. »Fräulein Thilde«, sagte er, als sie gleich am ersten Abend seiner Wiederumquartierung ihm den Tee brachte mit geschnittenem Schinken, »Fräulein Thilde, Sie sind sich immer gleich in Ihrer Güte gegen mich, und weil Sie glauben, es würde mir alles noch schwer, so haben Sie auch den Schinken schon geschnitten. Sie haben mich gepflegt und verwöhnt und haben mir all die Wochen über erst gezeigt, wie glücklich man im Leben sein kann. Eine liebevolle Hand ist das, was man im Leben am meisten braucht. Aber setzen Sie das Teezeug erst hin... Und nun geben Sie mir Ihre liebe kleine Hand, denn es ist eine kleine Hand, und treten Sie mit mir ans Fenster und sehen Sie mit mir auf das Bild da, das Gewölk, das am Monde vorüberzieht und sich wieder aufhellt im Vorüberziehn. Es ließe sich vielleicht ausdeuten, aber auch ohne das, ich frage Sie, ob ich Ihre kleine Hand, denn es ist eine kleine Hand, auch noch weiter halten darf, lange noch, ein Leben lang.«
Sie gab nicht unmittelbar Antwort und beschäftigte sich vielmehr damit, das Rouleau herunterzulassen. Dann nahm sie seinen Arm, führte ihn vom Fenster her bis an das hochlehnige Sofa zurück und sagte, während sie sich, mit aufgestemmten Händen und das Teezeug zwischen ihnen, auf die andre Seite des Tisches stellte: »Sie sind noch so angegriffen. Ich höre es an Ihrer Stimme, darin noch die Krankheit zittert, und daß Sie gerade den Mond in unser Gespräch gezogen haben. Ach, Herr Großmann, der Mond ist nichts für Sie; Sie brauchen Sonne... Das gibt mehr Kraft.«
»Das mag schon sein. Aber das ist keine Antwort, Fräulein Thilde. Sie sollen mir ja oder nein sagen.«
»Nun denn ja, trotzdem es noch lange dauern wird, eine lange Verlobung.«
»Auf dem alten Wege, ja. Aber es gibt auch neue Wege.«
»Rybinski-Wege?«
Hugo schwieg, weil sie seine Gedanken erraten hatte. »Nein, Hugo, nichts davon. Dann nehme ich mein Ja zurück. Ich will nicht in der Welt herumziehn und dir die Königsmäntel anziehn. Ich bin fürs Ernste, für hergebrachte Formen und auch für Religion. Und wenn es noch dazu kommt, so komm mir nicht mit Standesamt. Alles, mein ich, muß seinen Schick haben. Ich rechne darauf, daß du mir durch Arbeit den Beweis deiner Liebe gibst. Erst das Examen. Das andre findet sich. Da will ich schon sorgen. Aber nu komm, daß wir's Muttern sagen. Oder nein, heute lieber nicht; du bist noch nicht fest auf den Füßen. Ich werd es ihr selber sagen, heut abend im Bett. Und morgen früh kommst du dann. Ob sie sich freut, weiß ich nicht. Aber ja wird sie schon sagen.«
Sie stellte die kleine Teekanne vor ihn hin und was sonst noch auf dem Teebrett stand. Als sie alles geordnet und die Decke gradegezupft hatte, nahm sie das Tablett unter den linken Arm und gab ihm einen Kuß auf die Stirn.
Er wollte sie, vielleicht in unklarer Vorstellung von Bräutigamsrecht und -pflicht, festhalten und einen
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