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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Sturm auf ihre schmalen Lippen versuchen.
    Aber sie entwand sich ihm. An der Tür legte sie den Zeigefinger an die Lippen und grüßte zurück.
    »Alles an ihr ist so mädchenhaft«, sagte Hugo.
     
    Das geplante Bettgespräch hatte stattgefunden und war unter Vermeidung aller Umschweife mit dem Satze begonnen worden: »Mutter, weißt du was?«
    »Nu was denn, Thilde?«
    »Ich habe mich mit ihm verlobt.«
    Die Alte richtete sich auf wie ein Gespenst, sah Thilden an und sagte dann: »O Gott, was soll nu aus mir werden?«
    »Gar nichts, Mutter. Du bleibst, was du bist, und ein Esser ist weniger. Und wenn du was brauchst, dann schick ich es dir.«
    »Ja, kann er denn? Hat er denn was?«
    »Noch nich, Mutter. Aber wenn ich ihn bloß erst habe, das heißt richtig verlobt vor Gott und Menschen, da wird es schon werden. Er sieht ja doch aus wie auf der Kanzel, und so einer kommt immer an. Ich werd ihn schon anbringen.«
    »Und wirklich verlobt? Und nich bloß so gesagt? und nachher sitzt du da, wie so ganz, ganz arme und unglückliche Mädchen dasitzen...«
    »Ich weiß nicht, was das immer soll, Mutter. Vater hat gesagt: ›Thilde, halte dich propper.‹ Und hab ich nich? Und nu kommst du immer mit solchen Geschichten, so hintenrum, daß man nicht recht sagen kann, was du meinst. Aber ich weiß es schon. Und ich sage dir, ich bin nich so dumm. Er wollte mir einen Kuß geben und war so stürmisch, weil er noch krank ist. Aber ich habe ihn in seine Schranken zurückgewiesen.«
    »Das ist recht, Thildechen. Und wann denkst du denn, daß es ins Blatt kommt? Oder soll es ganz still und verborgen sein? Es ist doch immer besser, andre wissen es auch; dann geniert er sich mehr, wenn er sich vielleicht anders besinnt.«
    »Ach, anders besinnt. Er darf sich nicht anders besinnen, und er wird auch nicht, und er will auch nicht. Er wird nu morgen früh bei dir anfragen, und da mußt du was Gutes sagen und nich so klein und ängstlich. Und er muß sehn, daß wir nicht auf ihn gewartet haben.«
    »Ja, da hast du recht; aber was soll ich sagen? Du mußt mir was zurechtmachen, was paßt.«
    »Das geht nicht, Mutter. Dann verschnappst du dich und sagst es an der unrechten Stelle.«
    »Ja, das is möglich. Na, denn werd ich bloß sagen: ›Gott sei mit euch.‹«
    »Das ist gut. Aber du darfst ihn nich gleich ›du‹ nennen. ›Du‹ kommt erst, wenn es dringestanden hat und wir richtige Verlobung gefeiert haben. Ich denke so Heiligabend. Unterm Christbaum, das hab ich mir immer gewünscht. Das hat dann so seinen Schick und auch so 'n bißchen wie kirchliche Handlung. Und is schon so 'n Vorschmack. Das heißt, ich meine von der Trauung. Denn bei dir muß man sich immer vorsichtig ausdrücken. Du denkst gleich...«
     
    Am nächsten Morgen hielt Hugo richtig um Thildens Hand an, und die Alte sagte gar nichts, sondern nickte nur immer und streichelte Hugos Hand. Das war auch das allerbeste.
    Dann zog sich Hugo wieder in sein Zimmer zurück, und er sah nun Thilde fast weniger als sonst. Wenn es irgend ging, wurde die Runtschen vorgeschoben. Allerdings war dies mit besondren Schwierigkeiten verknüpft, weil grade sogenanntes Matschwetter war, was die Runtschen in ihrer Erscheinung auf ein niedrigstes Maß oder Stufe herabdrückte. Für eine reine Schürze war zwar immer gesorgt, und den Kiepenhut, mit dem sie wie verwachsen war, mußte sie abnehmen, aber man kann nicht sagen, daß dies viel half, fast im Gegenteil, weil die Mannsstiefel, die die Runtschen bei solchem Wetter trug, in einem beleidigenden Gegensatze zu der weißen Schürze standen.
    All das entging Thilden nicht, aber sie hatte nicht Zeit, sich mit diesen verhältnismäßig geringfügigen Dingen zu beschäftigen, da die heranrückende Verlobung unterm Christbaum, es waren nur noch vier Tage, sie ganz in Anspruch nahm. Eine kleine Gesellschaft sollte gegeben werden, aber wie sie komponieren? Einen Augenblick war an Schultzens und auch an Frau Leutnant Petermann gedacht worden, deren Mann schon 1849 im badischen Aufstand gefallen war, aber Thilde ließ beide Pläne wieder fallen. Schultzens waren zu reich und konnten denken, man wolle was von ihnen oder wolle sich mit ihnen wichtig tun. Und so stand es doch noch lange nicht. Sie, die Rätin, hatte keine Ahnung vom Exportgeschäft; sie ging zu Mannheimer, das war alles. Und die Petermann war wohl arm genug, aber sie hatte so was Schnippisches und sprach so gebildet, weil sie früher Schneiderin gewesen war, was nun keiner merken

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