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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sollte. Kurzum, Thilde sah ein, daß aus dem Kreise eigner Bekanntschaft niemand so recht zu wählen sei, und einigte sich in einem Gespräche mit Hugo dahin, daß nur ein Vetter Hugos, ein sonderbares altes Genie, das zwischen Maurerpolier und Architekt stand und seit zwanzig Jahren der Freund einer Witwe war (ein Umstand, der über sein Leben entschieden hatte), geladen werden solle. Dieser auf geistige Getränke gestellte Vetter, von dem Hugo zu sagen pflegte, daß seine Verwandtschaft zu Karoline Pichler näher sei als zu den Großmanns, paßte gut, weil er kein Spielverderber war, außerdem natürlich mußte Rybinski geladen werden. Um zehn wollte dann Thilde, dies war ein von ihr gestelltes, frühre Beschlüsse halb aufhebendes Amendement, zu Schultzens runtergehn und sich als Braut vorstellen und daran die bescheidne Frage knüpfen, ob Rat und Rätin vielleicht eine Viertelstunde ihnen schenken und sich von ihrem Glück überzeugen wollten. An der Ausführung dieses letztren Planes war der Alten beinah mehr gelegen als an der Verlobung selbst. Ein Wirt blieb doch immer die Hauptsache. Das mit dem Bräutigam konnte doch am Ende nichts sein, aber das mit Schultzens, das war immer was. Das Billet an Rybinski schrieb natürlich Hugo. Rybinski kam und sagte zu, vorausgesetzt, daß er seine Braut mitbringen dürfe.
    »Deine Braut?« staunte Großmann. »Bist du denn verlobt?«
    »O ja. Schon seit meinem Debüt, und wir sind sehr d'accord. Aber natürlich kann so was auch wieder zurückgehn, und wenn du mal so was hören solltest...«
    »Gut. Ich verstehe schon. Ich darf sie doch als deine Braut vorstellen?«
    »Ich muß sogar sehr darum bitten.«
     
Neuntes Kapitel
     
    Der Vierundzwanzigste kam und ging, die Verlobung war proklamiert worden, und die sechs Menschen, aus denen die ganze Gesellschaft bestand, waren ausnahmlos sehr vergnügt gewesen. Eine halbe Stunde lang sogar Schultze, der auf Thildens Aufforderung in einer gewissen Paschalaune, sein Volk beglückend, in der kleinen Möhringschen Wohnung erschienen war, zurückhaltend in bezug auf alles, was an Speis und Trank aufgetragen war, aber desto intimer mit Rybinskis Braut. Rybinski selbst lachte, versicherte dann und wann, daß er sich mit dem Rechnungsrat über das Schnupftuch schießen müsse, weil ihm ein solcher Eingriff in geheiligte Rechte noch gar nicht vorgekommen sei, und versprach schließlich, beim Rat und der Rätin seine Visite zu machen, spätestens zu Neujahr, aber ohne Braut. »Man kann doch nicht wissen, wie sich die Rätin stellt«, flüsterte er seinem neuen Freund Schultze zu. Und Schultze zwinkerte.
    Den Toast auf das Brautpaar brachte der Vetter Architekt aus. Man werde nicht überrascht sein, wenn er seinerseits, als ein Mann des Baus, auch die Ehe, als deren Vorkammer die Verlobung anzusehen sei, wenn er auch die Ehe als einen Bau ansehe. »Das Fundament, meine Herrschaften, ist die Liebe; daß wir diese hier haben, ist erwiesen, und der Mörtel, der bis in alle Ewigkeit den Bau zusammenhält, das ist die Treue.«
    Schultze nickte; Rybinski rief »Bravo« und drohte seiner neben Schultze stehenden Braut mit dem Finger, indem er mit dem Zeigefinger eine Stechbewegung machte, als müsse Schultze auf dem Platze bleiben. Der Vetter Architekt aber fuhr fort:
    »Der Mörtel, sage ich. Aber auch der bestgefügteste Bau, bei den Erschütterungen, die das Leben mit sich führt, bedarf noch der Klammern und Stützen, und diese Klammern und Stützen, das sind die Freunde, das sind wir. Auch Schmuck hat ein gutes Haus, und in seine Nischen sehen wir gern allerhand liebe kleine Gestalten gestellt, putti sagen die Italiener, Putten sagen wir selbst. Ich weiß, ich greife vor, aber in dieser heitren Stunde wird auch ein heitrer Blick in die Zukunft gestattet sein. Es lebe das Brautpaar, es lebe die Zukunft, es leben die Putten.«
    Rybinski umarmte den Redner und sprach etwas von dem geheimnisvollen Reiz der gefälligen oratorischen Begabung, die sei wie ein Quickborn: ein Schlag mit dem Pegasushuf, und die Quelle springe...Gesegnet die, die diesen Huf haben.
    Erst gegen Mitternacht ging man auseinander, und die Tochter der alten Runtschen, eine schmucke Person, die an einen Bahnhofsgepäckträger verheiratet war [und] die schon beim Mantelabnehmen und dann beim Mohnpielenpräsentieren die Bedienung gemacht hatte, begleitete die Herrschaften runter. Selbst Schultze nutzte seine Sonderstellung nicht aus und gab ihr, als er auf dem ersten

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