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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gar nichts vertragen. Masern. Gar nichts. Masern sind Masern. Jedes kleine Wurm hat sie; sie sollen sogar gesund sein, es kommt alles raus, und das is immer die Hauptsache. Natürlich müssen wir aufpassen und auch sorgen, daß er die Runtschen nich zu sehn kriegt, er ist so empfindlich in manchem und hat mir mal gesagt, er graule sich vor der Runtschen.«
    »Ach, das hat er bloß so gesagt...«
    »Nein, ganz im Ernst, Mutter. Solche, die immer Stücke lesen und ins Theater gehn, die sind so. Und das schwarze Pflaster – es ist auch zum Graulen.«
    »Ach Thilde, was unsereiner auch alles erleben muß. Und das nennen sie dann Fügungen, und man soll sich auch noch bedanken.«
    »Rede nicht so, Mutter, das bringt Unglück, denke an Hiobben. Und Fügungen. Natürlich sind es Fügungen, und die Leute haben auch ganz recht, wenn sie von Bedanken reden. Wenigstens wir. Denn das kann ich dir sagen, für uns is es eine sehr gute Fügung, und wenn ich mir was hätte denken sollen, auf so was Gutes wie diese Masern wäre ich gar nich gekommen.«
    »Meinst du?«
    »Freilich mein ich.«
    »Aber wie denn, Thilde?«
    »Das erzähl ich dir ein andermal, wenn's da ist. Wenn man drüber redt, dann beruft man's.«
    »Ach, Thilde, du rechnest immer alles aus, aber du kannst auch falsch rechnen.«
    »Kann ich. Aber du sollst sehn, ich rechne richtig.«
     
    Hugo Großmann überstand seine Masern und war im Abschülberungszustand, als der Doktor sagte: »Ja, liebe Frau Möhring, den haben wir nu mal wieder raus. Das heißt aus 'm Gröbsten. An Gesundheit ist noch nich zu denken, und die Vorsicht muß verdoppelt werden; der kleinste Fehler, und es wirft sich auf die Ohren oder, wenn er zu früh Licht kriegt, auf die Augen, und dann is er blind. Andrerseits hätt ich's gern, er könnte hier raus; die nassen Lappen sind gut, aber immer nasse Lappen geht auch nicht. Könnten Sie ihn nicht umbetten, ich meine umlogieren, vielleicht neben[an] in das Entree. Sie müssen dann freilich zuschließen und allen Verkehr mit der Welt abschließen, und wer zu Ihnen will, muß durch die Küche. Krankheit entschuldigt alles. Überlegen Sie's mit Fräulein Mathilde, die ist findig, die wird schon Rat schaffen.«
    Und damit ging er.
    Mathilde rechtfertigte natürlich das gute Vertraun, das der Doktor zu ihr hatte, und sagte: »Doktor Birnbaum hat ganz recht. Er muß raus. Ich kann die Lappen schon gar nich mehr riechen. Aber das mit dem Entree, das geht nich. Entree. Das sieht so weggesetzt aus, so nich hü und nich hott; er ist doch ein studierter Mann und ein Burgemeisterssohn, und die Masern hat er bei uns gekriegt. Er muß in unsre Stube...«
    »Ja, Thilde, das geht doch nich. Wir haben ja doch bloß die eine. Und dann ein Bett und ein fremder Mann drin, es geht doch nich.«
    »Es geht alles. Aber das mit dem Bett is gar nich nötig. Das Bett bleibt stehn, wo's steht, und abends bringen wir ihn rüber und packen ihn ein und seine Reisedecke drüber, daß er sich nich bloßwirft.«
    »Und bei Tage...«
    »Bei Tage is er bei uns drüben. Er wird nichts tun, was uns genieren kann, und ich kann immer rausgehn. Du freilich, du bist eine alte Frau, und er könnte dein Sohn sein, und an dich muß er sich wenden. Aber er wird nich, er is viel zu anständig, er schadet sich lieber. Und da haben wir ihn denn, solange die Rekonvaleszenz dauert, immer drüben und müssen die Rouleaux halb runterlassen, daß er kein Licht kriegt, und müssen ihm was vorlesen und müssen ihm was erzählen. Aber erzähle nich zuviel von Vatern, du gehst immer so ins einzelne, und so was Interessantes war Vater nich.«
    »Aber er war ein sehr guter Mann...«
    »Ja, das war er.«
    »... Ein sehr guter Mann. Und dann, Thilde, was ich sagen wollte, wie denkst du dir das eigentlich mit ihm. Sein Bett bleibt drüben, und auf einen Stuhl können wir ihn doch nich setzen; so lange kann er sich doch nicht gerade halten, er is ja noch krank und schwach.«
    »Nein, das kann er nich. Und da siehst du nu wieder, wie gut es ist, daß wir die Chaiselongue haben. Ich wußte, daß sich das verlohnen würde.«
    »Ja, findst du, daß das geht? Es ist doch sozusagen unser Prachtstück, der Stehspiegel hat den Riß und sieht nich recht nach was aus. Aber die Chaiselongue. Du mußt doch nich vergessen, vierzehn Tage oder vier Wochen dauert es, und dann is es hin. Er wird Kuten einliegen und alles eindrücken, denn Kranke sind so unruhig und liegen mal hier und mal da.«
    »Das ist ja grade das Gute. Da

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