Mathilde Möhring
Treppenabsatz in seine Wohnung abschwenkte, ein Trinkgeld. Alles benahm sich in dieser Beziehung sehr anständig, und oben angekommen, teilte die alte und die junge Runtschen die Beute, was von der jungen Runtschen sehr anständig war. Die Alte war aber über die ganze Aushülfe verstimmt und konnte mit einer Hälfte nicht zufrieden sein, die eben die Hälfte und nicht das Ganze war. »Du hast es doch nicht so nötig, Ulrike«, sagte die Alte.
»Gott, Mutter,
du
kannst doch nich runterleuchten mit deinem einen Auge, erst fällst du und das Licht, und dann fallen die andren auch. Du vergißt immer das mit das eine Auge. Und manche graulen sich auch. Und was denkst du denn! Glaubst du denn, daß der alte Schultze sich so honorig gemacht hätte, wenn du runtergeleuchtet hättest? Ich sage dir, der sieht sich seine Leute ordentlich an.«
Mutter und Tochter saßen noch lang in ihrem Bette auf. Es gab viel zu sprechen. Für die Alte war Schultze die Hauptperson, er habe doch feiner gewirkt als die andern und man hätte doch merken können:
der
hat's. »Es gibt einem doch so 'n Gefühl, und das hat er.«
»Ach, Mutter, du verstehst ja so was nich. Schultze war der einzige, der in die Gesellschaft nicht paßte. Von uns will ich nich reden. Aber die andern. Ja, das waren ja lauter feine Herren, alle studiert und Kunst dazu; der Vetter auch, wer so was baut, das ist auch 'ne Kunst. Und nur von Vorkammer hätt er nich sprechen sollen und von Putten erst recht nicht. Aber daran siehst du's gerade; feine Leute, die sind so und die behandeln all so was spielrig und lassen immer, wie Doktor Stubbe sagte, den rechten Ernst vermissen. Aber es kommt doch immer so was raus, was nich jeder sagen kann. Und nu Schultze. Ja, du mein Gott, wenn er nicht das sonderbare Zeug zu Rybinskis Braut gesagt hätte, so hätt er so gut wie gar nichts gesagt. Und dann is es auch nicht fein, daß er gar nichts nahm, und is bloß Tuerei, sehr viel Gutes kriegt er unten auch nich. Aber du hast seine großen Manschettenknöpfe immer angesehn, [und] weil er die zwei Steine vorn im Chemisette hatte und weil er Wirt ist, so denkst du, es war was Feines. Ich hab ihn auch nur raufgeholt, weil du doch nu mit ihm durchkommen mußt, wenn ich mal weggehe.«
»Na, wann denkst du denn?«
»Ich denke mir, so zu Johanni.«
»Hast du denn schon was?«
»Nein, noch nich, Mutter. Aber ich werd es nu in die Hand nehmen. Morgen und übermorgen sind Feiertage, da kommt keine Zeitung, aber den dritten Feiertag abends, da steht es drin. Und Verlobung haben wir nu gehabt, und nu is es an mir, nu werd ich es in die Hand nehmen.«
Die alte Runtschen hatte sich schließlich beruhigt und gab zu, daß Ulrike sehr anständig gehandelt habe. Sie hätte ja gar nichts zu teilen brauchen oder wenigstens mogeln können, aber daran war gar nicht zu denken, dazu war es viel zuviel. »Überhaupt, es is eigentlich ein gutes Kind, und bloß daß sie nur immer dran denkt, daß sie die dicken blonden Zöppe hat, Runtsch war schwarz, und ich erst recht; sie sagten immer die ›Schwarze‹; es muß aber doch so Bestimmung gewesen sein.« In dieser Richtung gingen die Gedanken der Alten, das Versöhnliche herrschte vor, aber auch wenn sie verbittert gewesen wäre, so hätte diese Verbitterung nicht anhalten können, weil sie vom frühen Morgen des andern Tages an ein Gegenstand besondrer Aufmerksamkeit im ganzen Schultzeschen Hause und in der Nachbarschaft war. Jeder wollte was wissen, und wohin sie kam, wollte man hören, wie die Verlobung gewesen wäre. Zu begreifen war es nicht, darin waren alle einig. Solch feiner Herr und ein Studierter und nu diese Thilde mit ihrem geelen Teint; und früher hatte sie auch noch Pickel; alle Morgen mußte sie bei die Herrens rein machen und ausgießen und nu doch Braut, und eh Gott den Schaden besieht, steht sie da mit Atlas und Myrte. So hieß es bei den Portiersleuten und namentlich in dem Keller gegenüber, wo sie Sellerie, Petroleum und Semmelfrühstück holte.
Zuletzt kam sie zur Leutnant Petermann, und hier erst, weil diese wegen eines Unfalls am Abend vorher noch im Bette lag, blühte ihr Weizen.
»Gott, Frau Leutnant, Sie liegen noch; was is denn los?«
»Ach Runtschen, jetzt geht es ja wieder. Aber bis viere habe ich kein Auge zugetan. Solche furchtbaren Schmerzen...«
»Hier?«
»Nein, hier nich. Diesmal nich. Das hätte bloß noch gefehlt, daß ich auch aufgemußt hätte bei dem kalten Fußboden und dem Zug draußen. Nein,
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