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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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da?«
    »Da les ich Zeitungen.«
    »Aber Hugo kriegt ja doch jeden Tag eine.«
    »Freilich. Aber eine is nicht genug; ich brauche viele.«
    »Na, wenn du meinst; für mich wär es nichts.«
    Und dabei blieb es. Die Alte kam nicht wieder darauf zurück, bis eine Woche später diese halb geheimnisvolle Zeitungsleserei, auch ohne weitre Frage, ihre Erklärung fand.
    Es war ein Sonntag, an welchem Tage die Lesehalle nur von elf bis eins auf war, und um eineinhalb war Thilde wieder zu Haus.
    »Guten Tag, Mutter. Es riecht ein bißchen nach verbrannt. Du hast wohl nich recht nachgesehn. Na, Hugo merkt es nicht. Und wenn auch, er ißt ja die verbrannten Stellen am liebsten und sagt dann bloß immer: ›Da is nu alles Animalische raus.‹«
    »Ja, ja, so was sagt er, und ich hab ihn schon immer danach fragen wollen. Aber dann dacht ich auch wieder, ›lieber nich‹.«
    »Und das war auch am besten so. Nicht fragen ist immer besser. Aber bist du denn gar nich in die Küche gekommen?«
    »Ja, Thilde, jetzt eben. Und da hab ich es auch gleich gemerkt und hab ein paar Kohlen rausgenommen und hab auch aufgegossen. Und geärgert hab ich mich auch, denn es kost' ja soviel, aber ich konnte nicht eher rausgehn, weil die Schmädicke hier war.«
    »Na, die hätt auch wegbleiben können. Die Schmädicke bedeutet nie was Gutes und kommt immer bloß aus Neugier oder aus Boshaftigkeit und um einem armen Menschen einen Floh ins Ohr zu setzen.«
    »Ach, Thilde, da tust du ihr aber unrecht, wenigstens heute. Sie kam bloß, um uns zu gratulieren von wegen Hugos Examen, und wann denn nu Hochzeit sei...«
    »Und da hast du gesagt, noch lange nich. Nich wahr? Kann ich mir denken. Denn du bist ewig in einer Todesangst und glaubst immer noch, es wird nichts werden und alles ist umsonst gewesen und alles ausgegeben. Das is immer deine Hauptangst. Und wenn du diese Angst kriegst, dann machst du dich klein und jämmerlich und auch vor solcher Person wie diese Schmädicke, diese spitznasige Posamentierswitwe.«
    »Nein, Thilde, das hab ich nich gesagt, ich habe nicht gesagt ›noch lange nich‹, ich habe bloß gesagt, ich wüßte es nich, aber du tätst mitunter so, als ob es woll bald losgehen würde.«
    »Und da? Was sagte sie da?«
    »Nu, da sagte sie: ›Ja, liebe Frau Möhring, manche haben Courage. Referendar is nich viel und eigentlich bloß ein Anfang, aber aller Anfang is schwer, und so kann man sagen, es is immer was, und Minister wird er ja woll nich werden wollen. Oder vielleicht doch. Und Jott, wenn ich mir denn Thilden denke...‹«
    »Das sagte sie?«
    »Ja, Thilde, so was war es.«
    »Unverschämte Person. Und dumm dazu. Diese verflossene Gimpen-Madam. Aber sie wird sich wundern, wenn wir ihr die Hochzeitsanzeige schicken.«
    »Ach Thilde, rede doch nich so was. Wenn man so was redt, dann beredt man's, und es wird nie was. Und es hat doch schon soviel gekostet, und ich weiß mitunter gar nich, wo's immer noch herkommt.«
    »Ja, Mutter, ich kann hexen.«
    »Jott, Kind, nu redst du auch noch so. Wenn man den Deibel ruft, is er da. Und zum Spaß darfst du doch so was nich sagen in einer so ernsthaftigen Sache. Vater sagte auch immer: ›Ja, die Leute glauben, es is ein Vergnügen; aber es is kein Vergnügen, und der Hochzeitstag ist der ernsthafteste Tag, und manche, die sich nich recht trauen, sehen auch schon so aus.‹ Und nu sprichst du von Hexen und tust, als ob alles schon da wäre und als ob es zu Johanni losginge.«
    »Geht es auch, Mutter.«
    »Jott, Thilde, das fährt mir ja in alle Glieder. Denn du stehst ja so da, wie wenn du's alles schon in der Tasche hättest...«
    »Hab ich auch.«
    Und dabei holte Thilde einen halben, zweimal zusammengefalteten Konzeptbogen aus der Kleidertasche, schlug ihn auseinander und sagte: »Nu lies mal, Mutter.«
    »Ach, wie kann ich denn lesen, und alles mit Bleistift geschrieben, und ohne Brille.«
    »Nun, dann höre zu, dann will ich lesen.«
    Und Thilde las: »Qualifizierte Personen... verstehst du, Mutter?«
    »O ganz gut, lies nur weiter.«
    »Qualifizierte Personen, das heißt Personen, die mindestens das erste Staatsexamen bestanden haben und darüber vollgültige Zeugnisse vorlegen können, werden, bei Geneigtheit, hierdurch aufgefordert, sich um die Burgemeisterstelle unsrer Stadt zu bewerben. Gehalt 3000 Mark bei freier Wohnung und einigen andern Emolumenten. Aspiranten werden ersucht, ihre Zeugnisse einzusenden, wenn sie nicht vorziehen, sich den Unterzeichneten gleich persönlich

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