Mathilde Möhring
kann. Und seitdem, wenn eine Hochzeit is, schenke ich so was. Zuviel Licht is auch nich gut, aber so gedämpft, da geht es.« Die alte Möhring nickte mit dem Kopf, schwieg aber, denn sie hatte sich über die Ampel geärgert.
Noch denselben Abend reiste das junge Paar ab, und zwar gleich nach Woldenstein. Weil sie aber vorhatten, die erste Nacht in Küstrin und die zweite Nacht in Bromberg zuzubringen, so nannten sie diese Fahrt doch ihre Hochzeitsreise, ja, Hugo tat sich etwas darauf zugute.
»Ich finde es nicht in der Ordnung, daß es immer Dresden und die Brühlsche Terrasse sein muß oder gar der Zwinger. In Küstrin wollen wir uns am andern Morgen das Gefängnis des Kronprinzen Friedrich ansehn und die Stelle, wo Katte hingerichtet wurde. Das scheint mir passender als der Zwinger.« Thilde war mit allem einverstanden gewesen. Küstrin war Etappe nach Woldenstein, und daß Woldenstein baldmöglichst erreicht wurde, nur darauf kam es an.
Am 26. mittags waren sie da. Sie bezogen die Wohnung, die schon der vorige Burgemeister innegehabt und die Hugos Mutter und Schwester von Owinsk aus eingerichtet hatten, teils mit einigen alten Sachen aus dem Owinsker Haus, teils mit neu gekauften Möbeln und Stoffen, die sämtlich in Woldenstein gekauft waren. »Es wird wohl teurer sein und nicht viel taugen«, hatte Thilde gesagt, »aber es bringt sich wieder ein. Wir müssen uns lieb Kind machen. Woldenstein ist jetzt die Karte, drauf wir setzen müssen.«
Am 1. Juli wurde Hugo eingeführt und eroberte sich gleich die Herzen durch eine Ansprache, die er hielt. »Er sei ein halber Landsmann und habe, von Jugend an, an der Überzeugung festgehalten, daß die Kraft des preußischen Staates in den östlichen Provinzen liege. Von daher habe die Monarchie den Namen, aus Königsberg stamme das preußische Königtum, und wenn Woldenstein auch vielleicht nicht bestimmt sei, derart in die Geschicke des Landes einzugreifen, so sei auch das Kleinste groß genug, durch Pflichterfüllung und durch Festhalten an den alten preußischen Tugenden vorbildlich zu wirken und dem Lande eine Ehre und Seiner Majestät dem Könige eine Freude zu sein.« An dieser Stelle wurde Beifall laut, denn Woldenstein wählte konservativ. Aber Hugo, der gut sah, hatte doch auch das spöttische Lächeln gesehn, mit dem eine kleine Gruppe diese patriotische Wendung begleitete, weshalb er hinzufügte: »Seiner Majestät eine Freude sein, dem Könige, der ein Hort der Verfassung ist, zu der wir alle stehn mit Leib und Leben.«
Der Schluß der Rede hatte so gewirkt, daß die Firma Silberstein und Isenthal ein Ständchen anregte, das auch am selben Abende noch gebracht wurde. Die Konservativen schlossen sich aus, aber nicht aus Demonstration gegen Hugo, sondern nur aus Demonstration gegen die fortschrittliche Firma.
Die nächsten Tage waren etwas unruhig, Hugo hatte Besuche in [der] Stadt und auch in der Umgegend zu machen, namentlich beim Landrat, der persona gratissima war und mit dem er gleich entschlossen war sich gut zu stellen. Es war nicht ganz leicht, da das Ständchen doch höhren Orts Anstoß gegeben hatte. Thilde sagte: »Das tut nichts. Rom ist nicht an einem Tage gebaut: gut Ding will Weile.« Sie richtete zunächst ihre Aufmerksamkeit auf die Einrichtungen des Hauses und vervollständigte die Einrichtung durch allerhand kleine Einkäufe. Den dritten Tag nach ihrer Ankunft trafen auch noch einige Sachen aus Berlin ein, darunter die Ampel. Hugo war nicht abgeneigt, ihr den Ehrenplatz zu geben, der der Schmädicke vorgeschwebt hatte, Thilde sagte aber: »Da sieht sie ja keiner«, und hing sie in den Hausflur, wo sie freilich bei den hellen Sommertagen zunächst noch zu keiner Wirkung kommen konnte.
Das Beste der Wohnung war der hübsche, ziemlich große Garten, der, nach Passierung eines schmalen Hofes mit einem Truthahn und Perlhühnern (alles vom vorigen Burgemeister übernommen), unmittelbar hinter dem Hause lag. Durch die Mitte zogen sich Buchsbaumrabatten, halben Wegs war eine Sonnenuhr, und in den Beeten, die links und rechts liefen, blühten Balsaminen und Rittersporn, überall überwachsen von riesigen Sonnenblumen, für die der Vorbesitzer eine Vorliebe gehabt haben mußte.
Hier war Thilde besonders tätig, trug einen großen weißen Schnurrenhut eigner Erfindung und legte, wenn Hugo vom Rathaus kam, ihren Arm in den seinen und ließ sich, während sie mit ihm auf und ab schritt, von den Sitzungen erzählen.
»Ich bin mitunter in
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