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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Examinatoren nahm ihn beiseite und sagte: »Lieber Großmann, es war alles gut, ich gratuliere Ihnen.«
    In einem merkwürdigen Seelenzustande, gehoben und doch auch gedrückt (gedrückt, weil er an die Zukunft dachte), kam er nach Haus und sah sich dieser Stimmung erst entrissen, als er hier Mutter und Tochter begegnete. Thilde, deren Auge leuchtete, blieb verhältnismäßig ruhig, der Gefahr aber, von der Alten geküßt zu werden, entging er nur mit genauer Not im letzten Augenblicke durch Rückzug in sein Zimmer. Mutter Möhring war das nicht recht, und weil sie wie die meisten alten Berlinerinnen das Bedürfnis der Aussprache hatte, mußte nun Thilde alles mit anhören, was der Alten auf der Seele brannte. »Gott sei Dank, Thilde, nu kann man doch wieder ruhig schlafen und weiß auch, was aus einem wird. Denn gut is er doch eigentlich und wird eine alte Frau nich umkommen lassen.«
     
    Hugo schrieb Briefe nach Haus und auch ein paar Zeilen an Rybinski, um ihn wissen zu lassen, daß alles gut abgelaufen.
    Als er gegen sieben wieder hinüberging, fand er ein kleines Souper vor, das Thilde samt einer Flasche Rüdesheimer, mit einer aufgeklebten Rheingaulandschaft als Beweis ihrer Echtheit, aus einem benachbarten großen Restaurant herbeigeschafft hatte. Das Aufmerksame, das darin lag, und beinah mehr noch der gute Geschmack, mit dem alles arrangiert worden war, blieben nicht ohne Wirkung auf Hugo, der sich plötzlich von dem Gefühl ergriffen sah, doch vielleicht in seinem dunklen Drange das Rechte getroffen zu haben; gewiß, es waren einfache Menschen, etwas unter Stand, doch gut und ordentlich und zuverlässig, und alles andre war ja nur Schein, Plattiertheit, und er reichte über den Tisch hin Thilden die Hand, wie wenn er sagen wollte: »Wir verstehen uns.« Dann ließ er sich's schmecken, und als er den sich wiederholenden Widerstand der alten Möhring, die jedesmal die Hand über das Glas hielt, endlich siegreich aus dem Felde geschlagen und auch ihr von dem goldgelben Wein eingeschenkt hatte, verstieg er sich bis zu einem launigen Toast, darin er die gute Möhring mit dem guten Examinator geschickt verglich und verband und beide leben ließ. Nach Tisch brachte Thilde den Kaffee, der zu Ehren des Tages von einer Extrastärke war. »Höre, Thilde, der geht aber ins Blut; ich kriege dann immer solch Jucken.«
    »Ach, laß nur, Mutter, wenn er nur schmeckt.«
    »Ja, schmecken tut er, und stark is er, oder wie Möhring immer sagte: ›Mutter, da is keine Bohne vorbeigesprungen.‹ Jott, wenn ich so an Vatern denke; was würde der woll gesagt haben.« Und nun mußte sich Hugo in einen Großvaterstuhl setzen und genau berichten, wie's eigentlich gewesen wäre, ja, Thilde fragte sogar, ob er auch nicht zu sicher geantwortet hätte, sie habe mal gehört, das könnten die Herren nicht leiden. Hugo beruhigte sie hierüber, und als alles erzählt und im Vorbeigehn auch erwähnt war, daß er gleich an seine Mutter und Schwester nach Owinsk hin geschrieben habe, kam er überhaupt auf Owinsk und seine Jugend und sein elterliches Haus zu sprechen und welch forsches Leben sie da geführt hätten. Burgemeister und Apotheker und Rechtsanwälte, die lebten immer am forschesten, weil sie das meiste Geld hätten, und eigentlich sei solch kleinstädtisches Leben viel vergnüglicher als ein Leben in der großen Stadt, denn immer sei was los, und wenn sie nicht Skat spielten, so spielten sie Theater, und wenn nicht Ball wäre, so wäre Schlittenbahn, und dann bimmelte das Schellengeläut den ganzen Nachmittag, und die Schneedecken flögen, und die hübschen Frauen, denn in den kleinen Städten gäbe es immer hübsche Frauen, hätten die Hand im Muff und, wenn es sehr kalt wäre, auch die Hand von ihrem Partner dazu.
    »Jott«, sagte die alte Möhring, »was heißt Partner? wo sind denn die richtigen Männer, die dazu gehören?«
    »Die sind in einem andern Schlitten.«
    Hugo plauderte noch so weiter, und es gelang ihm, auch Thilden ein kleines Lächeln abzugewinnen. Die Moralia von Owinsk waren ihr um so weniger ängstlich, als sie sich überzeugt hielt, daß ihres Bräutigams Hand nie in solchem Muff gesteckt hatte. Hugo malte nur gern so was aus, weil er es hübsch fand, aber es lag nicht in ihm, solche Bilder in Taten umzusetzen. All das wußte Thilde recht gut, die denn auch, statt sich mit Eifersucht zu quälen, aus Hugos Schilderungen des Owinsker Lebens nur das heraushörte, was sie für ihre eignen Pläne brauchen konnte.

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