Mathilde Möhring
Verlegenheit«, sagte er. »Sie haben ein Vertrauen zu meiner Rechtskunde, und ich soll immer am Schnürchen wissen, was da zu tun sei und was rechtens sei. Natürlich sag ich immer: es läge sehr schwer, es sei ein komplizierter Fall, der je nachdem höchstwahrscheinlich so oder so entschieden werden müsse, dabei schlägt mir aber das Herz, denn alles, was ich da sage, kann auch Unsinn sein.«
»Du fängst es nicht richtig an, Hugo. Was heißt Rechtsfragen? Rechtsfragen, das ist für Winkelkonsulenten. Und wenn es was Ordentliches ist, dann mußt du sagen, da wollen wir Justizrat Noack fragen; ich halte den für einen scharfen Kopf...«
»Ja, Thilde...«
»Für einen scharfen Kopf. Und wenn du das sagst, so legt dir das keiner zum Schlimmen aus, und den Justizrat hast du nu schon sicher auf deiner Seite. Der sagt dann: ›Ihr Herren, da habt ihr endlich mal einen richtigen Burgemeister, einen klugen, verständigen Mann. In der Regel wollen sie alles selber wissen. Das ist Pfuscherei, das ist, wie wenn die Apotheker die Kranken kurieren wollen. Dazu gehört noch mehr. Ein Burgemeister ist ein Verwaltungsbeamter, ein kleiner Regente, kein Rechtsprecher, und das kann ich euch sagen, der versteht zu regieren, er ist ein Administrationstalent, er hält auf Ordnung, und er hat Ideen.‹«
»Ja, Thilde...«
»Und hat Ideen, sag ich.«
»Ja, das sagst du oder läßt es deinen Justizrat sagen. Aber wer hat Ideen? Ideen, das ist nicht so leicht.«
»Ganz leicht.«
»Ach, Thilde, das ist ja Torheit. Ideen...«
»Ideen hat jeder, der sie haben will. Du bist bloß zu ängstlich, du hast kein Zutraun zu dir, du denkst immer, die andern sind wunder wie klug und verstehen alles besser. Wenn man Burgemeister ist, dann muß man so was aufgeben...«
»Ja, das sagst du wohl. Aber ich muß doch mit was kommen...«
» Natürlich.«
»Ich muß doch mit was kommen und Vorschläge machen. Und was soll ich vorschlagen?«
»Alles.«
»Ach, Thilde, das ist doch Torheit. Du sagst ›alles‹, und ich weiß gar nichts.«
»Weil du die Augen nicht aufmachst und die Ohren erst recht nicht. Du bist immer wie im Traum, Hugo.«
Er lächelte.
»Sieh, da is hier der Weg zwischen der Stadt und dem großen Torfmoor. Alkitten hat mir gesagt, im Herbst, wenn es regnet, ist gar nich durchzukommen, und wer seinen Torf bis dahin nicht eingefahren hat, der mag sehn, wo er bleibt...«
»Hab ich auch gehört.«
»Ja. Aber du denkst dir nichts dabei. Du mußt morgen den Stadtverordneten vorschlagen, daß ein Steindamm gebaut wird (es ist ja nur eine halbe Meile) oder eine Klinkerchaussee oder doch mindestens ein Knüppeldamm, daß die Wagen im Modder nicht steckenbleiben. Und dann laß ein Chausseehaus baun, es ist ja alles noch auf städtischem Grund und Boden, und der Landrat hat nicht mit dreinzureden. Und für den einen Groschen haben die Leute dann einen feinen Weg und können noch stolz sein, daß sie so was aus eigner Kraft und eignen Mitteln gebaut haben.«
»Seh ich ein; ist ein guter Vorschlag.«
»Und dann mußt du wegen der Garnison anpurren. Alkitten sagt mir, daß schon lange davon die Rede war, daß aber dein Vorgänger nicht wollte, vielleicht weil er sich wegen seiner Frau fürchtete. Die soll nämlich etwas forsch gewesen sein...«
»Ja, das is richtig.«
»Nun, da siehst du's. Und die Knauserei mit dem Stallgebäude, das ist ja der pure Unsinn. Alkitten hat mir erzählt, die Stadtverordneten hätten nicht gewollt. Ja, warum nicht? weil der Anstoß fehlte. Nun, bei mir liegt es anders. Und wenn der schönste Rittmeister herkommt, du kennst doch deine Thilde.«
Hugo versicherte, daß er sich ganz überzeugt halte.
»Von ganzem Regiment kann natürlich keine Rede sein. Dazu ist Woldenstein zu sehr Nest, und Silberstein und Isenthal können es nicht rausreißen und Rebecca Silberstein auch nicht. Übrigens ist es eine hübsche Person. Aber doch nicht zum Heiraten. Und für sonst ist sie zu streng. Also nicht das ganze Regiment, für einen adligen Obersten ist auch eigentlich gar keine Wohnung hier, höchstens in unsrer ersten Etage...«
»Thilde...«
»Aber zwei Eskadrons, das geht. Und nun berechne dir mal, wie das wirkt. Von Brot will ich nich reden, das backen sie selber. Aber dreihundert Pferde und dreihundert Menschen. Und ein Kasino müssen sie doch auch haben. Und dann die jungen Frauen und Ball und Theater, Silberstein ist gegen das Militär, aber das gibt sich. Die ganze Bäckerei und Schlächterei kommt auf
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