Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
den üblichen sarkastischen Kommentar hervor.
    Sie erreichten Alpha eine Stunde nach Einbruch der Dämmerung, einen vollen Tag hinter dem Zeitplan. Alpha erwies sich als dschungelbedeckte Bergkuppe, nichts weiter. Sie hatten den ganzen Tag nichts gegessen, die letzten Dosen waren tags zuvor aufgebraucht worden. Dass irgendwer auch nur eine halbe Ration gegessen hatte, war drei Tage her.
    Während des Essens wirkte Lieutenant Colonel Simpson zerstreut. Major Blakely nahm an, dass er sich Gedanken darüber machte, wie er Colonel Mulvaney in der morgigen Lagebesprechung die Verzögerung erklären sollte. Er schien kaum wahrzunehmen, dass der als Kellner fungierende Soldat seinen Teller abtrug und seine Kaffeetasse nachfüllte. Als Major Blakely und Captain Bainford, der Fliegerleitoffizier, bei einer Zigarre unter Gelächter Geschichten erzählten, beteiligte er sich kaum. Er griff nach der Flasche Mateus, die sie beim Essen nahezu geleert hatten, goss sich ein weiteres Glas ein und ignorierte den Kaffee. Er trank rasch. Er griff in seine Tasche, um eine weitere Zigarre hervorzuholen, doch die flache Pappschachtel war leer.
    »Zigarre, Colonel?«, fragte Blakely und griff nach einer seiner eigenen.
    Simpson entzündete sie an der Kerze auf dem Tisch, rauchte sie mit einigen kräftigen Zügen gut an und entspannte sich dann. Blakely steckte sich ebenfalls eine an, lehnte sich zurück und blickte hinaus durch das Fliegengitter, das das kleine Messezelt der Offiziere und Stabsunteroffiziere vor den draußen herumschwirrenden Insekten schützte. Bei Sonnenuntergang war die VCB kein schöner Ort, um eine Mahlzeit einzunehmen. Mannschaften und Unteroffiziere standen in unregelmäßigen Grüppchen in der Schlange der Essensausgabe vor dem Messezelt. Der Boden war morastig. Die Nachtluft stank nach Kerosin und brennenden Fässern mit Scheiße, die aus den Latrinen gepumpt worden war. Von der unebenen Piste stieg ein einsamer Huey auf, der nach Quang Tri zurückkehrte, verlor sich kurz vor dem Graugrün der Berge und zeichnete sich dann als Silhouette vor dem schwächer werdenden Licht ab.
    »Diese Scheißbasis ist nichts für uns, Blakely«, grollte Simpson. Er tat einen sichtlich wütenden Zug an der Zigarre.
    »Sir?«
    »Wir sollten im Busch sein. Wir haben drei Kompanien, die im Flachland auf ihrem Arsch sitzen, und eine, die oben in den Bergen herumirrt. Können sie nicht kontrollieren. Können niemandem in den Arsch treten, wenn’s nötig ist.«
    »Ich bin Ihrer Meinung, Sir, aber da das Bataillon sowieso schon so aufgesplittert ist und die Kompanien sich sogar dann über die ganze Karte verteilen, wenn wir eine Operation haben, wie wollen Sie sie da kontrollieren?«
    »Matterhorn. Ich will aufs Matterhorn zurück. Wir hätten die ganze Nordwestecke des Landes im Sack. Würden die Kompanien unten im Dschungel lassen, wo sie den Gooks einheizen, ihre Nachschublinien angreifen, ihre Verstecke zerstören.« Er spuckte einen Tabakkrümel auf den Boden. »Wer weiß, vielleicht sogar Vorstöße nach Laos. Diese Bombardiererei bringt doch nichts. Man wirft eine Bombe, und ein Infanterist steht auf und marschiert geradewegs durch den Krater, und die NVA besteht aus Infanteristen, und zwar einigen der Besten. Deswegen müssen wir auch unsere Infanteristen auf sie ansetzen.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte Blakely vorsichtig und bedachte den Fliegerleitoffizier mit einem Seitenblick, »aber was können Sie angesichts der verdammten politischen Einschränkungen schon machen? Dabei bin ich ganz Ihrer Meinung, verdammt noch mal. Man geht dahin, wo sich das Kampfgeschehen abspielt.« Er fragte den Colonel nicht, was es denn für einen Unterschied mache, ob man vier Kompanien per Funk vom Matterhorn oder vier Kompanien per Funk von der VCB aus befehlige. Er wusste, der eigentliche Unterschied war ein psychologischer, zumindest für die Leute bei der Division. Wenn sich der Befehlsstand von One Twenty-Four auf der Karte beim Matterhorn befand – ganz allein, in exponiertester Lage –, würde das die Leute bei der Division ständig daran erinnern, dass die Offiziere, die One Twenty-Four befehligten, Busch-Marines waren, keine Stabsoffiziere, die sich in dicken Bunkern versteckten. Blakely wusste, was ein bestimmtes Image wert war. Es konnte nichts schaden, wenn sie ab und zu unter Beschuss gerieten. Er brauchte Kampferfahrung in seiner Personalakte, die Sorte Kampferfahrung, für die es Purple Hearts und andere Auszeichnungen

Weitere Kostenlose Bücher