Matterhorn
die Nacht. Geführt von den weiß gekalkten Steinen, die den Pfad säumten, ging er zur Einsatzzentrale hinüber. Er drückte die schwere Tür auf und überraschte damit den Offizier vom Dienst, der den Playboy las, und die drei Funker, von denen zwei Schach spielten. Der dritte hörte die Top-Forty-Hitparade auf AFVN , dem Armeesender in Quang Tri. Alle sprangen hastig auf.
»Geben Sie mir Bravo Six«, bellte Simpson.
Einer der Funker begann zu rufen. Kurz darauf antwortete Pallack, dann meldete sich Fitch. Seine Stimme war geisterhaft schwach.
»Hier ist Big John Six. Ich will wissen, warum Sie absichtlich einen Befehl missachtet haben und einen Tag hinter dem Zeitplan bei Kontrollpunkt Alpha auf Ihrem Hintern sitzen. Scheiße, ich will eine gute Erklärung, oder ich schick Sie nach Okinawa, weil ich bei Gott jeden Kommandeur am Arsch kriege, der den Job nicht hinkriegt. Over.«
Die Funker sahen einander von der Seite an. Der Diensthabende begann, die Funkmeldungen durchzugehen, die von der Division eingegangen waren.
Längeres Schweigen trat ein. »Haben Sie mich verstanden, Bravo Six?«, insistierte Simpson. »Over.«
»Roger, Sir. Ich habe verstanden.« Die Übertragung wurde kurz unterbrochen. »Wir waren den ganzen Tag eingenebelt. Ich habe auf den Vogel gewartet, den ich angefordert hatte. Ich habe ein paar schlimme Fälle von Fußbrand, einen Toten, und wir haben keinen Proviant mehr. Meiner Einschätzung nach kämen wir schneller vorwärts, wenn diese Probleme behoben wären. Ich übernehme die volle Verantwortung für die Verzögerung. Over.«
»Da können Sie einen drauf lassen, dass Sie das tun. Aber das reicht mir nicht, um es Bushwhacker Six zu erklären. Over.«
»Ich verstehe, Sir. Vielleicht fiele den Männern das Marschieren leichter, wenn wir wüssten, was unser Auftrag ist. Over.« Die Entfernung und die schwachen Batterien ließen Fitchs Stimme schwanken und brechen.
»Ihr Auftrag ist, den Feind zu finden, zu bekämpfen und zu vernichten. Das ist der Auftrag jedes Marines.« Unbewusst straffte Simpson die Schultern. Er war sich bewusst, dass die anderen im Raum ihn beobachteten. »Und jetzt machen Sie sich verdammt noch mal ans Finden und Vernichten, oder ich lasse Sie aus wichtigem Grund ablösen. Haben Sie mich verstanden, Bravo Six?«
»Roger. Verstanden.«
»Es ist unbedingt erforderlich – unbedingt erforderlich –, dass Sie Kontrollpunkt Echo bis Donnerstagmittag erreichen. Dort warten Sie weitere Befehle ab. Unbedingt erforderlich. Haben Sie verstanden? Over.«
Das Funkgerät blieb stumm. Kontrollpunkt Echo befand sich am Zusammenfluss zweier Flüsse, von denen der eine aus den Bergen kam, über die sie sich gerade kämpften, und der andere von einer anderen Bergkette östlich von ihnen herabrauschte. Fitch meldete sich. »Sir, ich schaue hier gerade auf meine Karte, und Kontrollpunkt Echo liegt auf der anderen Seite von ein paar ziemlich steilen Bergen. Bei diesem Gelände glaube ich einfach nicht, dass wir es so schnell schaffen. Over.«
»Warten Sie.«
Simpson eilte zur Karte hinüber, legte einen Finger auf Bravos Position, die von einer Nadel mit einem großen B darauf säuberlich markiert wurde, und legte dann einen anderen Finger auf die Koordinaten von Kontrollpunkt Echo. Die beiden Finger lagen etwa zwanzig Zentimeter auseinander. Fitch kniff ganz offensichtlich.
Simpson griff nach dem Handapparat. »Wollen Sie mich verarschen, Bravo Six? Sie sind morgen Mittag bei Echo, oder Sie bringen Ihren ersten Monat auf Okinawa damit zu, meinen Fuß aus Ihrem Arsch zu ziehen. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Big John Six, out.«
In der feuchten Kälte dreißig Kilometer von der VCB entfernt ließ Fitch den Handapparat einfach auf den Boden fallen und starrte in die Dunkelheit. Relsnik tastete danach und hob ihn auf.
Hawke stieß einen Pfiff aus. »Vielleicht hat er ja vergessen, was er gesagt hat, wenn er wieder nüchtern ist.«
Fitch gab einen Grunzlaut von sich.
»Hey, vergiss es«, fuhr Hawke fort. »Was will er denn machen, Jim, dir die Haare abschneiden und dich nach Vietnam schicken?«
Es war ein alter Scherz, aber Fitch war dankbar für die Unterstützung. Er lächelte und fragte sich zugleich, warum er sich nicht darüber freuen würde, abgelöst zu werden. Einfach aus allem rauszukommen. Trotzdem, er fühlte sich schrecklich. Seine Eignungsbeurteilung würde ihm das Genick brechen. Jede Hoffnung auf eine anständige Verwendung wäre zunichte, sobald er
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