Matterhorn
Scheißzitate merken? Sie hatten hier keine Dose geöffnet, sondern in ein Wespennest gestochen. Malaria. Dschungelfäule. Politiker. Die Schwarzen in Aufruhr mit diesem Black-Power-Mist. Langsam und sorgfältig goss er sich noch ein wenig Whiskey ins Glas. Nur noch ein paar Monate, dann hatte er das hier überstanden. Ein Bataillon im Gefecht. Er war immerhin schon neununddreißig. Es war ein Gottesgeschenk, ein Aufschub vor dem Schlussvorhang nach zwanzig Jahren. Jetzt hatte er noch eine Chance, Colonel zu werden – ein Regiment zu bekommen. Er lächelte das warme Glas an. Nein, keine Division. Man übertreibt es nicht mit seinen Bitten an die Götter, sonst lassen sie einen fallen. Aber ein Regiment war durchaus drin, wenn er das hier nicht vermasselte.
Er verspürte leichte Übelkeit, und er reagierte darauf, indem er den Rest des Whiskeys hinunterkippte. Er füllte das Glas nach.
Neununddreißig Jahre alt. Letzte Chance. Er wusste, er war nicht so klug wie Blakely und kein so schillernder Charakter wie Mulvaney. Aber er kümmerte sich. Er kümmerte sich um Fußbrand. Er kümmerte sich um die Sicherheit und darum, seine Verlustrate gering zu halten. Aber wie findet man mit so etwas beim kommandierenden General Beachtung? Es stank. Das Ganze stank. Die verdammte Bravo-Kompanie da draußen auf sich allein gestellt. Niemals hätten er und Mulvaney sich von Blakely dazu beschwatzen lassen dürfen. Dann der Murks mit den Rationen. Er hatte es nicht mitgekriegt. Hätte es aber mitkriegen müssen. Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle. Das war das letzte »K« in PFAPAK , dem kurz gefassten Grundsatz der Truppenführung: Planung beginnen, Feindaufklärung organisieren … oder hieß es Feuerkraft organisieren? Aufklärung durchführen. Nein, Auftrag erteilen. Verdammt. Sein Gedächtnis war noch nie besonders gut gewesen. Scheiße. Eigentlich war es doch ganz einfach. Man ging da raus und brachte den gottverdammten Feind um. Falls die Sache mit den Rationen je rauskam, war der Teufel los.
Blakely war gerade dabei, den Nachschuboffizier, der die Sache verbockt hatte, nach Da Nang zurückzuversetzen. Nicht dass der S- 4 etwas dagegen gehabt hätte. Aber woher denn. Offiziersklubs. Alkohol. Frauen. Frauen mit runden Augen. Es gab dort eine Blondine, die Autos an die Truppen verkaufte. Autos? Ach was, Mercedes-Schlitten. Ein ganzer Jahressold ging für einen dieser Wagen drauf. In der Personalakte des Nachschuboffiziers würde natürlich nichts stehen. Warum es dem Burschen schwer machen. Blakely ließ über inoffizielle Kanäle verlauten, dass sie den Nachschuboffizier davonkommen ließen und seine Akte sauber hielten. Aber falls je etwas rauskäme, tja, dann konnte er nachweisen, dass er sofort gehandelt und den betreffenden Offizier abgeschossen hatte. Und so schlimm war es nun auch wieder nicht. Es war schließlich niemand ums Leben gekommen oder etwas dergleichen. Außerdem würden sie die Bravo-Kompanie herausholen, es wiedergutmachen. Er würde Steaks für alle auffahren lassen, wenn sie zurückkamen. Mit Bravo in der VCB wäre dann das ganze Bataillon gleichzeitig hier. Er würde Steaks für das ganze Bataillon auffahren lassen und einen Messeabend für die Offiziere veranstalten. Gab es schon seit den Zeiten der Royal Marines, verdammt noch mal. Genau wie früher. Genau das Richtige für die Moral. Ein Messeabend für die Offiziere und Steaks für die Mannschaften. Verdammt gute Marines, diese Jungs. Konnten nichts dafür. Am Ende würden sie ihn mögen. Sie würden es verstehen. Keine vernünftige Führung. Da konnte auch niemand was dafür. Man kriegte eben nur diese grünen College-Bubis, keinerlei Erfahrung. Den einen Tag vögelten sie noch irgendwelche Regierungstippsen in Washington, und die Woche drauf wurden sie im Busch abgesetzt. Was konnte man da erwarten? Scheiße. Die brauchten einfach ein bisschen Abhärtung, das war alles. Reife. Deswegen musste er auch wieder raus in den Busch. So was wie diese Bunker auf dem Matterhorn zum Beispiel. Bei einem Luftangriff oder schwerem Artilleriebeschuss wären sie glatt abgeschlachtet worden. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Klar war es hart für sie gewesen – und ob es hart gewesen war. Aber dafür war er nun mal hier: um Leben zu retten. Bei Gott, die mussten nur mal richtig auf Vordermann gebracht werden. Brauchten ein bisschen Führung.
Er kippte den Rest des Whiskeys hinunter, griff nach seiner Mütze und trat durch den Verdunkelungsvorhang hinaus in
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