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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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und Fitch ihn anpeilen konnten. Alle murrten, dass die Leuchtkugel der NVA verraten würde, wo die Marines waren, und untereinander begannen die Jungs Kendall Knallfrosch zu nennen. Samms, Kendalls Platoon Sergeant, setzte sich zu Bass, zog über Kendall her und verfluchte die Unsitte, Offiziere zu Zugführern zu machen, damit sie Erfahrungen sammelten. Goodwin meldete über Funk, dass er etwas gefunden habe, aber es sei eine Überraschung. Fitch bot Hawke zwanzig Dollar für die Dose Aprikosen. Hawke lehnte ab.
    Am Nachmittag machten sich Cortell und Jackson auf den Weg zu Hawke, um mit ihm über Urlaubsansprüche zu reden. In der Mitte des Lagers angekommen, sahen sie Lieutenant Goodwin, der, noch immer mit Handgranaten und Munition beladen, zwei Tigerbabys kraulte. Der Senior Squid und Relsnik sahen zu, wie Sergeant Cassidy, ein Lächeln im Gesicht, die beiden blinden Kätzchen spielerisch stupste.
    Cortell, der sich mit Williams ein Schützenloch geteilt hatte, seit sie acht Monate zuvor gemeinsam ins Landesinnere gekommen waren, betrachtete die beiden Tiger mit anderen Augen. Er ließ Jackson stehen und trat zu der Gruppe.
    »Ich finde nicht, dass die hierher gehören«, sagte er. Sein Herz begann zu hämmern, aber er schwor sich, dass er etwas für Williams tun würde – irgendetwas, um seine Schuldgefühle zu lindern, weil er Williams im Stich gelassen hatte.
    »Na, scheiß der Hund drauf«, sagte Cassidy und stand auf. »Die gehören also nicht hierher? Und wer hat dich nach deiner Meinung gefragt?«
    Cortell blieb stumm und wünschte, Jackson würde etwas sagen.
    »Scheiße, du latschst also einfach zu deinen Vorgesetzten und sagst ihnen, was du findest?«
    »Nein, Sir«, sagte Cortell. Die alte Angst des tiefen Südens kehrte zurück und machte ihm weiche Knie.
    »Dann schlag ich vor, du kümmerst dich um deinen eigenen Kram. Ich hab gedacht, du magst Scheißdschungeltiere.«
    Cortells Nasenflügel blähten sich, und sein Gesicht wurde bleich. Seine Hände und Beine brannten. Er spürte Jacksons Hand an seinem Ellbogen, die ihn sanft zurückzog, weg von Cassidy und weg von einem inneren Abgrund. Cortell atmete schwer und starrte Cassidy an, der ebenso unverwandt zurückstarrte. »Ich mach die Viecher kalt«, sagte Cortell.
    »Nur über meine Leiche«, sagte Cassidy.
    »Wollen Sie’s so haben?«
    »Drohst du damit, mich umzubringen, Cortell?«, fragte Cassidy.
    »Lass gut sein, Cortell«, sagte Jackson. Cortell hörte ihn wie durch einen langen Tunnel. Jackson wandte sich an Cassidy und fügte ruhig hinzu. »Er droht nicht damit, Sie zu töten, Gunny. Scheiße, es geht um Williams, seinen Freund.«
    Cortell schlug wütend nach Jacksons Hand und versuchte, sich aus ihrem Griff zu lösen.
    »Hör auf, Cortell«, zischte Jackson. »Für so was gehst du in den Bau.« Jackson zog ihn herum, Cortell stemmte sich dagegen, und Jackson zerrte ihn ruckweise vorwärts. Irgendwie schaffte es Cortell, sich von seiner Wut zu lösen, indem er neben sich trat. Er wurde sich bewusst, dass er wütend war. Dann spürte er, dass er und Jackson aneinander zogen. Durch seinen Kopf wirbelten Bilder von Jesus und den Geldwechslern, von Simon Petrus, wie er dem Knecht das Ohr abschlug, von Jesus am Kreuz, von Gott, der um sein verlorenes Kind weinte. Er erinnerte sich, wer und wo er war und ließ zu, dass Jackson ihn fest am Ellbogen packte und den Hang hinunterführte, weg von Cassidy, der vor der stummen Gruppe stand.
    Dann erinnerte er sich an Four Corners, Mississippi, und Gilead, vier Meilen die ungepflasterte Straße hinunter, wo die Weißen wohnten. Er erinnerte sich, wie er die von Bäumen gesäumten Straßen entlangfuhr, bemüht, in dem alten, sorgfältig polierten 47 er Ford seines Großvaters möglichst unauffällig auszusehen. Er erinnerte sich, wie seine Großmutter dafür gesorgt hatte, dass er ein weißes, gebügeltes Hemd trug. Dann erinnerte er sich an seine ältere Cousine Luella, wie sie, in ihrer Hausmädchenkluft erhitzt und erschöpft, auf der staubigen Straße von Gilead nach Hause ging, um ihr Baby zu stillen, das sie die ganzen vierzehn Stunden ihrer Abwesenheit bei ihrer Mutter gelassen hatte, und wie sie sich nur noch danach sehnte, ihren Brüsten und ihrem Herzen Erleichterung zu schaffen. Dann erinnerte er sich, wie er Stunden um Stunden mit dem Drang, Wasser zu lassen, kämpfte, und an die weißen Highschool-Jungs, die ihn mit harten Augen anstarrten, wenn er zu dem Baumwoll-Lagerschuppen kam, wo er

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