Matterhorn
verspricht.«
»Ja, aber er ist immer noch der Präsident. Amerikanische Präsidenten lügen Amerikaner nicht an.« Er kam sich blöd dabei vor, dass er auf ihren Rücken einredete. »Er ist so was wie die Verkörperung der – ich weiß nicht, der Verfassung, Herrgott noch mal. Ich habe geschworen, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu achten. Ich habe die Hand gehoben und es geschworen, so wahr mir Gott helfe.«
Sie drehte sich um, die Hände noch immer auf dem Rand der Spüle. »Da warst du auf der Highschool. Du warst siebzehn.«
»Ich war trotzdem ich.«
Sie wandte sich um. »O Gott«, sagte sie zur Wand.
Stumm blickte er auf die Kanne und die Becher in seinen Händen. Warum war sie sauer auf ihn? Es war ein heiliger Eid – und zwei von den Typen, mit denen er die Ausbildung in Quantico absolviert hatte, waren bereits tot.
»Waino«, sagte sie, den Blick immer noch auf die Wand gerichtet, »Johnny Hartman hat sich von seinem Arzt bescheinigen lassen, dass das Knie, das er sich beim Football verletzt hat, ständig schmerzen würde. Und Janes Bruder hat sich von seinem bescheinigen lassen, dass er schwul ist.«
Er blieb stumm.
Sie stieß einen langen Seufzer aus. Ihre Schultern senkten sich leicht, sodass sie wieder ihre normale Haltung einnahmen. Ihm wurde bewusst, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie schaltete auf ihre ruhige Stimme um, gegen die, wie er wusste, nicht anzukommen war. »Du bist zum Jurastudium in Yale angenommen worden. Du bist deswegen zurückgestellt worden. In drei Jahren könnte der Krieg vorbei sein, und wenn nicht, leistest du deinen Dienst als Anwalt ab. Es gibt Leute, die würden alles dafür geben, da zu sein, wo du jetzt bist.«
»Und es gibt Leute, die alles gegeben haben. Bessere als Johnny Hartman und Janes Bruder.«
Wieder drehte sie sich um, diesmal langsam. Sie zitterte. Die Tränen, die aus ihren grünen Augen quollen, machten ihn stumm und weckten Schuldgefühle. »Ja!«, zischte sie. »Ja, ja, ja, ja! Und du hast den Brief losgeschickt, ohne auch nur mit mir darüber zu reden. Du hast nicht einmal daran gedacht, mit mir darüber zu reden.«
Einen Monat später war er in der Basic School in Quantico, Virginia. Es fiel ihm schwer, ihr zu schreiben, denn er wusste, dass die Ausbildung der Marines für sie eine völlig fremde Welt war. Sie antwortete selten und begründete es damit, dass ihr neuer Beruf sie stark in Anspruch nehme. Einmal, als er schon fast drei Monate in Quantico war, rief er sie an, um ihr zu sagen, dass er drei Tage Urlaub habe und nach New York kommen könne. Sie sagte, sie habe schon etwas anderes in Vermont vor. Zwei Monate später bekam er seinen Marschbefehl nach Vietnam. Er rief sie an und sagte, er müsse sie sehen, bevor es losgehe. Sie erklärte sich einverstanden, wies ihn jedoch darauf hin, dass er nicht bei ihr übernachten könne.
Er war von der Ausbildung kräftiger geworden, hatte die Haare kurz geschoren und trat die lange Zugfahrt von Virginia nach New York in der Uniform eines Second Lieutenant der Marines an. Bei ihrer Wohnung angekommen, erfuhr er von ihren Mitbewohnerinnen, dass sie eine Verabredung habe und nicht da sei. Er wartete, während ihre Mitbewohnerinnen ihn krampfhaft zu unterhalten versuchten. Schließlich gingen sie schlafen. Als Anne nach Hause kam, machte sie Tee. Nach einer verlegenen halben Stunde sagte sie ihm, er könne auf der Couch schlafen, und ging zu Bett.
Er war so von Angst erfüllt und verzweifelt trostbedürftig gewesen, dass er trotzdem zu ihr ins Bett geschlüpft war. Nach zwei unbequemen Stunden, in denen sie ihm den Rücken zukehrte, fand er sich damit ab, dass er nicht schlafen würde. Er stand im Dunkeln auf und kämpfte sich in der überheizten Wohnung in seine Uniform, deren Wollstoff an dem Schweiß auf seiner Haut festklebte. Sie sah ihm schweigend dabei zu. Er bestellte sich telefonisch ein Taxi und packte seinen Val-Pak-Rucksack. Als er auf dem Boden kauernd zu ihr aufblickte, sah er sie auf der Bettkante sitzen. Sie hatte ein Männerhemd an. Es war hochgerutscht und ließ ihren Schlüpfer sehen. Offenbar machte ihr das nichts aus.
»Wann geht dein Flugzeug?«
»Null fünfhundertdreißig.« Er wünschte, er wäre nicht in Militärjargon verfallen.
»Hast du Hunger?«
Er stand auf, stellte den Val-Pak senkrecht und hob ihn hoch. »Nein.«
»Tja …«
»Ja.« Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Das hatte er noch nie gekonnt. »Mach’s gut.«
»Mach’s gut.«
Er ging
Weitere Kostenlose Bücher