Matterhorn
erfüllt mich zugleich mit Demut und mit Stolz, zu Ihnen sprechen zu dürfen, den Offizieren, die so viel zu diesem Ruf beigetragen haben« – er senkte die Stimme und schaute auf seinen Dessertteller hinab, auf dem die am Nachmittag aus Quang Tri eingeflogene Eiscreme schmolz – »und jener Offiziere zu gedenken, die ihren kostbarsten Besitz hingegeben haben, damit dieser herausragende, stolze Ruf erhalten bleibt.«
»Er meint die, die draufgegangen sind«, flüsterte Mellas dem neuen Lieutenant neben ihm zu, ohne den Kopf zu drehen. Captain Coates tippte Mellas mit dem Stiefel an.
»Wir haben das Kommando über dieses Bataillon zu Beginn der Operation Cathedral Forest übernommen«, fuhr der Colonel fort, »einem tiefen Vorstoß in die DMZ , der bedeutende Materialfunde, bedeutende Feindkontakte und bedeutende Verluste aufseiten des Feindes zur Folge hatte. Nach Cathedral Forest ging es weiter mit der Operation Wind River am Einfallstor nach Laos. Ich bin sicher, viele von Ihnen erinnern sich voller Zuneigung an unsere Freunde aus Co Roc.« Etwa die Hälfte der Offiziere lachte. Hawke zählte nicht dazu.
»Tja, wir haben unsere eigene Artillerie. Die Feuerunterstützungsbasen Lookout, Puller, Sherpa, Margo, Sierra, Sky Cap.« Er hielt kurz inne. »Und Matterhorn.« Er sah seine Offiziere an. »Wir bauen Brückenköpfe aus Stahl mitten im Hinterhof der Gooks. Wir verwehren ihnen die Benutzung ihres eigenen Transportnetzes, zwingen sie damit immer weiter nach Westen und erschweren ihnen zunehmend die Nachversorgung für ihre Operationen in den bevölkerten Provinzen östlich von uns.« Simpson hielt erneut inne und wechselte den Ton. »In letzter Zeit haben wir in der Gegend um Cam Lo auf unserem Hintern gesessen und haben meiner Meinung nach unseren eigentlichen Auftrag vernachlässigt.« Er beugte sich vor. »Aber mit dem politischen Quatsch, meine Herren, sind wir jetzt fertig. Von jetzt an werden wir wieder unserer eigentlichen Aufgabe nachgehen, nämlich den Feind zu stellen und zu vernichten. Wo auch immer er sein mag. Und ich, meine Herren, weiß, wo er ist. Ich weiß es.« Er stützte sich auf die Hände und sah sie mit hin und her huschenden Augen eindringlich an. Dann richtete er sich effektvoll zu voller Größe auf, hob den Kopf und straffte die Schultern.
Mellas sah Hawke mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Er ist in der Gegend vom Matterhorn«, fuhr der Colonel fort. Seine Augen glitzerten. Erneut beugte er sich vor, die kleinen roten Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt. »Jawohl, verdammt nochmal, Matterhorn. Dort sind die Gooks. Und verstecken sich. Und bei Gott, eines Tages werden wir dorthin gehen und jeden Einzelnen von den gelben Scheißkerlen töten. Wir sind gegen meinen Willen und gegen meine bessere Einsicht und die meines Einsatzoffiziers vom Matterhorn abgezogen worden, um die Wünsche irgendwelcher fettärschigen Politiker in Washington zu erfüllen. Aber alle Anzeichen« – er unterstrich seine Worte mit der Faust – »alle unsere nachrichtendienstlichen Informationen, jeder noch so kleine Feindkontakt« – er straffte sich noch mehr und lächelte – »und nicht zuletzt meine Nase« – er berührte sie – »all das sagt mir, dass die NVA da ist, und zwar in großer Zahl. Und dieses Gebiet gehört uns, meine Herren. Wir haben dafür bezahlt. Mit Blut. Und wir werden bekommen, was uns zusteht.«
»Das ist doch Quatsch«, flüsterte Mellas dem neuen Lieutenant zu. »Da oben gibt’s nichts als Blutegel und Malaria.«
Coates stieß Mellas den Ellbogen in die Rippen und funkelte ihn an. Hawke starrte auf seine Gabel.
»Wir haben das Matterhorn verlassen müssen, bevor wir unsere Arbeit dort zu Ende bringen konnten«, fuhr Simpson fort, »und Marines lassen ihre Arbeit niemals unbeendet. Ich verspreche Ihnen Folgendes, meine Herren: Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit dieses Bataillon dorthin gehen kann, wo es hingehört. Dort wird es zum Gefecht kommen. Dort will ich sein. Dort will Major Blakely sein, und dort, das weiß ich, will jeder Marine in diesem Bataillon sein.«
An dieser Stelle rülpste McCarthy leise außer Hörweite des vorderen Tisches.
»Also, meine Herren«, fuhr der Colonel fort, »ich möchte einen Toast auf das verdammt noch mal beste kämpfende Bataillon ausbringen, das es im Augenblick in Vietnam gibt. Auf die Tiger von Tarawa, die Frozen Chosen des Changjin-Stausees. Auf das Erste Bataillon des Vierundzwanzigsten
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