Matterhorn
Bemühungen eines einsamen Marines herrührte, in drei abgesägten Fässern mithilfe von Kerosin irgendwelchen Scheiß zu verbrennen. Irgendwann jedoch drang ihm Broyers Frage ins Bewusstsein. Er sah Broyer an. Als dieser damals auf dem Matterhorn aufgetaucht war, hatte sich Jancowitz wegen seiner dürren Gestalt und seiner zögerlichen Sprechweise Sorgen gemacht. Aber die machte er sich mittlerweile nicht mehr – Broyer war ein guter Marine. »Keine blasse Ahnung, Broyer. Wahrscheinlich braucht General Neitzel einen, der den Papierkram für ihn erledigt.«
»Was ich so höre, braucht er eher einen, der das Kämpfen für ihn erledigt. Sein erster Befehl war, dass alle sich gefälligst das Hemd zuknöpfen. So ’ne Scheiße.«
Jancowitz musste lächeln, während er Broyer zuhörte, der sich bemühte, sein »Scheiße« möglichst cool klingen zu lassen. Jancowitz war im Landesinneren gewesen, als der Vorgänger des Generals eingetroffen war, und hatte das gleiche Gemecker schon einmal gehört. Er hatte sein eigenes Kriterium dafür, ob ein General – oder überhaupt irgendein Offizier – etwas taugte, nämlich, wie oft man diesen Offizier draußen im Busch bei den Jungs sah. Deswegen mochte er Colonel Mulvaney. Eines Nachts war er, Jancowitz, in der VCB bei richtigem Pisswetter im Stockfinsteren draußen bei den Stellungen gewesen und hatte plötzlich einen Jeep kommen hören. Er hatte geglaubt, es wäre Hawke. Also hatte er gerufen: »Scheiße, was hast du hier zu suchen?« Er hätte sich beinahe in die Hosen gemacht, als sich herausgestellt hatte, dass es Mulvaney war, der Kommandeur des gesamten Vierundzwanzigsten Regiments der Marines. Der Alte hatte ihn gefragt, ob er irgendwelche Ratten erledigt habe, dann hatte er sein Gewehr inspiziert und ihm gesagt, er leiste gute Arbeit.
»Lieutenant Mellas ist es scheißegal, ob wir unser Hemd zuknöpfen«, fuhr Broyer fort.
»Ja. Nur bleibt der nicht beim Corps.«
»Bleibst du denn dabei?«, fragte Broyer nach kurzem Schweigen.
»Ich weiß nicht. Ich hab da in Bangkok ein Mädchen.« Jancowitz lächelte. »Wie steht’s mit dir?«
»Ich will in Maryland studieren – steht mir ja zu als GI – und dann für die Regierung arbeiten.« Broyer zögerte. »Vielleicht im Außenministerium.« Er warf einen raschen Blick auf Jancowitz, um festzustellen, ob dieser irgendeine Reaktion zeigte. Dann lächelte er kläglich. »Ich hab gedacht, Marine zu sein, würde sich in meiner Vita gut machen.«
»Was ist eine Vita?«, fragte Jancowitz. Broyer, das sah er, wunderte sich über seine Unkenntnis, versuchte aber, sich das nicht anmerken zu lassen.
»Das braucht man, wenn man sich um einen Job bewirbt. Das sind ein paar Seiten, auf denen man seine Berufserfahrungen nennt und wo man zur Schule gegangen ist. Solche Sachen eben.«
Jancowitz lachte laut. Er konnte sich nicht vorstellen, wozu er jemals so etwas brauchen sollte, um einen Job zu bekommen.
Eine Zeit lang gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Ich hab gehört, heute Abend gibt’s einen Film«, sagte Broyer. »Und vielleicht sogar ein Rotkreuz-Mädchen.«
»Das ist ein altes Gerücht. Die lassen keine Rotkreuz-Mädchen aus Da Nang raus. Angeblich ist das zu gefährlich. Totaler Quatsch. Budweiser und Luftmatratzen lassen sie auch nicht aus Da Nang raus.«
»Aber der Film ist kein Gerücht«, sagte Broyer.
»Ich wette, es ist ein Western.«
Broyer lachte leise, und wieder schwiegen sie. Über sich hörten sie das gedämpfte Schreien von Gänsen und sahen im Aufblicken einen kleinen Schwarm von etwa einem halben Dutzend Tieren nordwärts fliegen. Sie blieben stehen und blickten ihnen nach, bis die Gänse in den Wolken verschwanden, die Mutter’s Ridge verbargen.
»Davon kriege ich Heimweh«, sagte Jancowitz leise.
»Ich auch«, antwortete Broyer.
Als sie um die letzte Kurve vor ihren Zelten an der Landebahn kamen, sagte Jancowitz: »Meine Fresse!« Auf dem Boden saß Arran, den Rücken gegen sein Marschgepäck gelehnt. Neben ihm lag leise hechelnd Pat und sah den beiden entgegen, Kopf und rote Ohren wachsam aufgerichtet. Dann blickte das Tier fragend Arran an, der »Okay« sagte. Pat stand auf und trabte zu Jancowitz und Broyer, um sie zu begrüßen. Er schob die Schnauze zwischen Broyers Beine, der kicherte und dem Tier das Fell zauste. Dann tänzelte Pat von ihm weg, schlug einen Bogen um Jancowitz und wühlte die Schnauze in dessen Kniekehlen, was ihn ebenfalls zum Kichern brachte.
»Sieht so aus, als
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