Matterhorn
Ich mache das hier schon.«
Cassidy schickte die zwei Marines zum Essen, mit dem Befehl, danach zwei Ersatzleute zu schicken. Dann ging er weg, um mit seinem neuen Kompaniechef zu reden.
Vancouver war einer der beiden Marines, die es schafften, einen Job im Versorgungszelt zu ergattern, um nicht im Regen Sandsäcke füllen zu müssen. Er und der andere wühlten sich bald durch die feuchten, oft schimmeligen Packen mit persönlicher Ausrüstung, die von nach Hause versetzten oder gefallenen Marines zurückgelassen worden war.
»Hey, Vancouver«, sagte der andere. »Da ist was, das gehört dir.«
Als Vancouver die lange, rechteckige Schachtel sah, hatte er so eine Vorahnung. Es war sein Schwert. Als er es bestellt hatte, war es nur ein Jux gewesen. Er hatte geglaubt, es wäre endgültig verloren gegangen. Nun sagte er – aber es kam ihm vor, als würde er die Stimme eines anderen hören – : »Mein Gott. Hey, Scheiße, das ist mein Gook-Schwert. Es war die ganze Zeit da.« Er riss an dem Papier, holte die Waffe aus der schmalen Schachtel. Er packte das Heft und zog mit einem metallischen Geräusch das Schwert aus der Scheide.
Mellas hatte sich bei Vancouvers Ausruf umgedreht.
»Sehen Sie sich dieses Mordsding an, Lieutenant«, krähte Vancouver. Er stand mit gespreizten Beinen auf zwei Seesäcken und hielt das Schwert vor sich. Dann führte er einen raschen Hieb durch die Luft. »Jetzt entkommen sie mir nicht mehr«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Am späten Nachmittag hatte die Nachricht von Vancouvers Schwert die Runde gemacht. Ein Freund von Jancowitz aus der Versorgungskompanie schaute beim Sandsack-Kommando vorbei, um Jancowitz davon zu erzählen. Jancowitz empfand eine sonderbare Mutlosigkeit, die er nicht einordnen konnte und rasch in den hintersten Winkel seines Verstandes zurückdrängte, in den er seit anderthalb Jahren derlei Gefühle verbannte. »Der hat echt einen Riss in der Birne«, sagte er lächelnd. »Er macht sie wirklich damit kalt. Ihr werdet schon sehen.«
»Ja, kann sein«, sagte sein Freund zu ihm, »aber die Gooks werden wohl kaum mit Schwertern kämpfen. Das sind keine Wilden.«
»Ja, aber Vancouver ist einer«, gab Jancowitz zurück. Leute lachten. Sein Freund grinste und fuhr weiter die Straße entlang. Traurig wandte sich Jancowitz wieder seinem Erdhaufen zu.
Die Bravo-Kompanie buddelte den ganzen Tag im Lehm, füllte die grünen Plastiksäcke und versuchte zu vergessen, dass jede Sekunde ein Offizier in einem klimatisierten Bunker in Dong Ha oder Da Nang die Hubschrauber anfordern konnte, die sie zu irgendeinem unbekannten Ort im Dschungel flogen, wo sie sterben würden. Mit jeder aufgenommenen Schaufel versuchten sie zu vergessen, dass jeden Moment der Kompanie-Jeep die schmale Landebahn entlanggerast kommen konnte, mit Pallack darin, der schrie, dass welche in der Scheiße saßen und die Bravo-Kompanie sie raushauen musste.
Jancowitz war so angespannt wie alle anderen. Er versuchte, an Susi zu denken, aber es fiel ihm schwer, sich an ihr Gesicht zu erinnern. Vor allen anderen seine Brieftasche zu zücken und sich ihr Foto anzusehen, war ihm peinlich, deshalb blieb er hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, genau das zu tun, und dem Wunsch, sich nicht zu blamieren. Die Jungs würden lachen und sagen, sie wäre bloß so ein Bar-Mädchen. Das würde er nicht ertragen. Er hatte sich für weitere sechs Monate verpflichtet, sechs Monate in Angst und Dreck, bloß um dreißig Tage mit ihr verbringen zu können. Er stürzte sich in die Arbeit, den nächsten Sandsack zu füllen.
Um 1700 klappten sie ihre Spaten zusammen und gingen in Zweier- und Dreiergrüppchen zu ihren Zelten zurück. Broyer hatte sich Jancowitz angeschlossen, seine Brille beschlug leicht von dem Schweiß, der ihm von der Stirn tropfte. »Hey, Janc«, sagte er und wischte sich an seinem Hemdzipfel die Brille ab. »Wozu brauchen wir eigentlich einen stellvertretenden General?« Er sprach von dem Brigadegeneral, der im Taskforce-Hotel wohnte und dessen rote Flagge mit dem einen Goldstern sie den ganzen Tag hatten anglotzen müssen, während sie Sandsäcke für seinen Bunker gefüllt hatten. Er schob die Brille hoch. Sie rutschte prompt wieder hinunter. Verärgert schob er sie wieder die Nase hinauf, doch sie fing nur wieder an zu beschlagen.
Jancowitz gab keine Antwort. Er dachte an Susi und versuchte dabei, den Geruch des auf der Straße verteilten Öls und des Qualms auszublenden, der von den
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