Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
Vom Netzwerk:
Südvietnamesen allein fertig. Seit der Tet-Offensive im vergangenen Jahr waren die Vietcong ja praktisch schon am Ende. Offenbar töteten die Marines Menschen ohne irgendein Ziel außer dem Töten selbst. Das hinterließ ein ungutes Gefühl in Mulvaneys Bauch. Er versuchte, es zu ignorieren, indem er seinen Job machte, der darin bestand, Menschen zu töten.
    Major Blakely empfand genauso wie Mulvaney, allerdings mit zwei bezeichnenden Unterschieden. Er war enthusiastischer, weil er sich nicht noch um zwei andere Bataillone Gedanken machen musste; und dies war sein erster Krieg, nicht sein dritter. Außerdem reflektierte Blakely niemals darüber, wofür man einen Preis bezahlte und warum er bezahlt wurde. Blakely war ein Problemlöser.
    Er wusste, dass die Bravo-Kompanie in Gefahr war. Er selbst hatte sie in diese Gefahr gebracht, und dass er das getan hatte, gefiel ihm nicht besonders. Zwar hatte er schon gesehen, wie tote Männer aus den Hubschraubern gezerrt wurden, aber er war nie dabei gewesen, wenn sie gestorben waren. Das war ein Grund, warum es ihm zuweilen schwerfiel, sich selbst zu achten. Dies war ein Krieg für Captains und Lieutenants, und er war schon zu alt, dreiunddreißig. Ob er das Zeug dazu hatte, einen Zug oder eine Kompanie im Gefecht zu führen, wusste er nicht und würde er wohl auch nie erfahren, wenn er nicht irgendeine Möglichkeit zum Mitmischen fand.
    Mellas hätte wahrscheinlich gesagt, dass Blakely nicht das Zeug dazu hatte, aber da hätte er sich geirrt. Blakely hätte eine Aufgabe auf niedrigerer Ebene genauso gut ausgeführt, wie er seine derzeitige Aufgabe ausführte – sicherlich kompetent, vielleicht nicht perfekt, aber so gut, dass er die Arbeit erledigte und keinen Ärger bekam. Er hätte, wie alle, kleine Fehler gemacht, doch sie hätten sich nicht so massiv ausgewirkt. Anstatt eine Kompanie ohne Proviant loszuschicken, würde er vielleicht ein Maschinengewehr unvorteilhaft platzieren. Aber die ihm unterstellten Marines würden solche Fehler wettmachen. Sie würden trotz der ungünstigen Maschinengewehrstellung tapfer kämpfen. Die eigenen Verluste wären geringfügig höher und die des Feindes geringfügig niedriger, aber die Statistik der Perfektion kommt in keinem Berichtssystem vor. Ein Sieg wird mit den Verlusten gemeldet, die es erfordert, ihn zu erringen, nicht mit denen, die es erfordert hätte, wenn das Maschinengewehr besser platziert worden wäre.
    Die Sache war im Grunde ganz einfach. Blakely selbst wäre gar nicht bewusst gewesen, dass er das Maschinengewehr schlecht positioniert hätte. Seine Verluste würden ihm eine Zeit lang zu schaffen machen. Doch über das Warum und Wozu zu reflektieren, war seine Sache nicht. Im Augenblick musste er sich darum kümmern, den Feind zu stellen und die gegnerischen Verlustzahlen so hoch wie möglich zu schrauben. Er wollte, wie wohl jeder anständige Mensch, einen guten Job machen, und nun hatte er endlich eine Möglichkeit gefunden, wie das zu bewerkstelligen war. Vielleicht würde er tatsächlich das gesamte Bataillon gleichzeitig in einer Schlacht einsetzen – für einen Berufsoffizier eine unschätzbare Erfahrung.
    Gegen 0300 begann einer von Goodwins Horchposten, hektisch den Sprechknopf des Funkgeräts zu drücken. Mellas hörte, wie Goodwin sich rasch meldete. »Nancy, hier ist Scar. Was ist los? Drücken sie einmal für jeden Gook. Over.«
    Das abgehackte Rauschen hörte gar nicht mehr auf. Mellas kam nicht mehr mit.
    »Jackson, gehen Sie da runter und scheuchen Sie alle hoch«, sagte Mellas. »Wir haben Ärger.«
    »Wieso ich?«, sagte Jackson.
    Mellas sagte: »Ränge haben ihre Privilegien, Jackson. Außerdem sind Sie im Dunkeln nicht so gut zu sehen.«
    »Das werden Sie noch bereuen, Lieutenant«, flüsterte Jackson.
    »Ich hoffe, dass ich das noch erlebe.«
    Jackson glitt davon, und gleich darauf hörte Mellas entlang der Stellungen drängendes Flüstern.
    Über Funk war Fitchs Stimme zu hören, der den Horchposten anrief. »Nancy, hier ist Bravo Six. Wenn Sie glauben, dass Sie’s zu uns zurück schaffen, drücken Sie zweimal den Sprechknopf. Over.«
    Es kam keine Antwort.
    »Okay, Nancy«, fuhr Fitch fort, »wir haben alle alarmiert. Sie nehmen einfach volle Deckung und bleiben so, bis wir was anderes sagen. Over.«
    Nancy antwortete mit zweimaligem Drücken des Sprechknopfs.
    Ein kleine Menge Erde rieselte die Wand von Mellas’ Schützenloch hinunter und pladderte gegen seinen feuchten Rücken. Jenseits des

Weitere Kostenlose Bücher