Matterhorn
Hören Sie das auch? Over.«
Kendall antwortete leise. »Ja. Unten auf dem Ausläufer, den der Zweite neulich raufgekommen ist. Over.«
»Scheiße, Jack«, warf Goodwin ein. »Wir sind gerade umzingelt worden. Over.«
»Du bist ein militärisches Genie, Scar. Over«, knurrte Fitch.
»Wie viele Purple Hearts hast du, Jack? Das ist das Zeichen eines militärischen Genies. Over.«
Kendall schloss die Augen und versuchte, sich in allen noch so kleinen Einzelheiten an das Gesicht seiner Frau, ihren Körper zu erinnern.
Mellas fing stumm zu beten an, damit Jackson nichts mitbekam. »Lieber Gott, ich weiß, ich habe immer nur gebetet, wenn ich in Schwierigkeiten war, aber, lieber Gott, hol mich hier raus, bitte hol mich hier raus.« Während er betete, rasten seine Gedanken, suchte sein Verstand nach einem Fluchtweg, beschloss, die Verwundeten zurückzulassen, den Zug zurückzulassen, alles, nur um in den Schutz des Dschungels zu gelangen.
Mellas wurde von der überwältigenden, erschütternden Gewissheit getroffen, dass er höchstwahrscheinlich sterben würde. Hier auf diesem dreckigen Stück Erde. Jetzt. Das Leben hatte kaum angefangen, und so schrecklich und überraschend bald würde es vorüber sein.
Kapitel 15
A m Morgen, als der Nebel sich zu stumpfem Grau aufhellte, begannen sich die Marines in ihren Löchern zu regen. Einige hatten ihre Ponchos hinter den Löchern ausgelegt, um Tau zu sammeln. Das funktionierte nicht, aber sie leckten die Ponchos trotzdem ab. Ein paar Witze wurden gerissen. Mellas kraxelte über die Bergkuppe zu Goodwins Schützenloch. Goodwin stand aufrecht darin, nur Kopf und Schultern ragten über den Rand. Er trug sein Gurtzeug und überprüfte die Federn seiner Magazine. Seine Miene war gequält.
Mellas hockte sich neben das Loch. »Gehst du deinen Horchposten holen?«, fragte er leise.
»Ja.« Goodwin stieg aus dem Loch und betätigte den Ladehebel seines M 16 .
»Die Kerle können nicht mehr als hundert Meter von hier weg sein«, sagte Mellas.
»Ich weiß, Jack.« Goodwin drehte sich um und schaute in den Nebel.
Es war das erste Mal, dass Mellas ihn so ernst erlebte. Ein plötzlicher Ansturm von Gefühlen überwältigte ihn. »Hey«, sagte er. »Pass bloß auf da draußen, ja?«
Goodwin dreht sich zu ihm um und sah ihn an. »Meinst du, wir kommen aus dieser Scheiße wieder raus?«
Mellas zuckte die Schultern. »Alles, was wir brauchen, ist ein klarer Tag.«
Beide blickten sie zu den Wolken auf, die im Morgenlicht eben noch sichtbar waren. Goodwin sah Mellas an. »Ich weiß ja nicht, wie’s dir geht, aber ich hab einen Scheißdurst.« Dann steckte er zwei Finger in den Mund, stieß einen schrillen Pfiff aus und rief: »Hey, ihr Kampfschweine. Macht, dass ihr hier raufkommt.« Er wandte sich Mellas zu und grinste. »Ich hab nach Freiwilligen gefragt, und alle haben sich gemeldet. Aber Roscoe und Estes waren beide aus der Ersten Gruppe, also wird die Erste Gruppe sie auch holen gehen.«
Er rief erneut. »Verdammt noch mal, Robb, schaff sie endlich hier rauf.« Er wandte sich wieder an Mellas. »So viel Schiss, wie die beiden gestern Abend hatten, glaub ich nicht, dass sie weiter als dreißig, vierzig Meter vor die Stellungen gegangen sind.« Die Gruppe bewegte sich langsam und leise zu Goodwins Schützenloch hinauf.
China ließ den Spannschieber seines MG s langsam vor- und zurückgleiten. Ein Teil von ihm ereiferte sich darüber, wie dumm es war, sein Leben zu riskieren, um zwei tote Chucks zu bergen, doch ein anderer Teil vergewisserte sich, dass das Maschinengewehr einwandfrei funktionierte. Er blickte in Richtung Bergkuppe und sah Cortell, den religiösen Spinner, bei den Toten sitzen. Der Blödmann kapierte einfach nicht, dass er die Religion der Weißen angenommen hatte. Aber Cortell hatte auch etwas, worum ihn China beneidete – Cortell war sich sicher, wohin Parker gegangen war. China ließ den Spannschieber einrasten und sah Goodwin an. Mein Gott, der durchgeknallte, weiße Hillbilly-Arsch nahm diesen Semper-Fi-Scheiß tatsächlich ernst. Er würde hier gleich eine Show abziehen und sich dabei den Arsch wegballern lassen, während Henry in der VCB saß und Geschäfte machte. Das Bild von Parker, wie er versucht hatte, seine Angst zurückzudrängen, kam China zu Bewusstsein. Er sah vor sich, wie Vancouver in die Nacht hinausging, um sich zum Fluss durchzukämpfen, und Doc Fredrickson, wie er Parker mit einem feuchten Tuch abwischte, um ihn kühl zu halten.
Er sah
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