Matterhorn
ist ein Brother‹, hier gibt’s nämlich jede Menge gute Splibs, die keine Kopfschmerzen haben. Der hat bloß Schiss.« Bass nahm einen großen Schluck und atmete Dampf in die kühle, feuchte Luft. »Ach, übrigens«, fügte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen hinzu, »er ist jetzt oben bei Doc Fredrickson. Der wartet schon auf Sie.«
Mellas spürte, wie ihm der heiße, süße Kaffee die Kehle hinabrann und sich in seinem Magen ausbreitete. Er bewegte die von Feuchtigkeit schrumpeligen Zehen, um nicht einzunicken. Die durch die Dose spürbare Wärme des Kaffees tat seinen Händen gut, die leicht eiterten, das erste Symptom von Dschungelfäule. »Scheiße«, sagte er, mehr für sich. Er hielt sich die Dose an die Stelle im Nacken, wo der Riemen des Munitionsgurts ihm die Haut wund gescheuert hatte.
»Sie sollen das Zeug trinken, Lieutenant«, sagte Bass, »nicht damit rumschmusen.« Bass zückte sein Taschenmesser und begann, eine weitere kunstvolle Kerbe in seinen Short-Timer-Stock zu schnitzen. Mellas sah neidvoll zu. Er selbst hatte noch dreihundertneunzig Tage vor sich.
»Muss ich mich jetzt gleich damit befassen?«, fragte er. Er bereute es sofort, die Frage gestellt zu haben. Ihm war klar, dass er jammerte.
»Sie sind der Lieutenant, Sir. RHIP .« Ränge haben ihre Privilegien.
Mellas sann noch auf eine witzige Retourkutsche, als er aus Richtung der Zweiten Gruppe einen Schrei hörte. »Mein Gott! Holt den Squid! Holt Doc Fredrickson!« Sofort ließ Bass seinen Stock fallen und rannte in Richtung der Stimme. Mellas blieb sitzen, vor Erschöpfung so benommen, dass er einfach nicht die Willenskraft aufbrachte, sich zu rühren. Er sah Hamilton an, der mit den Schultern zuckte und schließlich einen Schluck von seinem Kaffee nahm. Er beobachtete, wie Jacobs, der stotternde Truppführer aus der Zweiten Gruppe, den Hang hinaufrannte und in Fredricksons Unterschlupf verschwand. Mellas seufzte und begann, sich seine blutigen Socken und feuchten Stiefel wieder anzuziehen, während Jacobs zusammen mit Fredrickson, dem Navy-Sanitäter, den Hang schlitternd wieder hinunterlief. Einige Minuten später kam Bass wieder zurück, die Miene gleichgültig versteinert.
»Was ist los, Sergeant Bass?«, fragte Mellas.
»Das sehen Sie sich am besten selber an, Lieutenant. So was hab ich noch nicht gesehen. Fisher hat einen Blutegel genau in dem Loch in seinem Schwanz.«
»Gott«, sagte Hamilton. Sein Blick ging hinauf zu den Wolken und senkte sich dann wieder auf den dampfenden Kaffee in seiner Hand. Er hob die Dose. »Auf die Scheißblutegel.«
Mellas verspürte Ekel, aber auch Erleichterung. Kein Mensch konnte ihn für so etwas verantwortlich machen. Während er, ohne sich die Stiefel zuzuschnüren, bergab in Richtung der Zweiten Gruppe ging und dabei immer wieder im Schlamm ausrutschte, machte er sich Sorgen darüber, wie er einen bewährten Gruppenführer wie Fisher ersetzen sollte, wo er im Zug doch kaum jemanden kannte.
Eine Stunde früher hatte sich Ted Hawke ebenfalls Sorgen über die Neubesetzung eines Postens gemacht. Doch Hawke hatte sich Sorgen über Mellas gemacht, der seinen Posten als Führer des Ersten Zuges bekommen hatte, als er selbst zum Executive Officer, der Nummer zwei der Kompanie, befördert worden war. Hawke war lange genug im Landesinneren, um sich an die Angst gewöhnt zu haben – die Angst kam mit jeder Operation –, aber er war nicht daran gewöhnt, sich Sorgen zu machen, und das machte ihm Sorgen.
Er hob einen gesplitterten Stock vom Boden auf und begann geistesabwesend, im Morast zu kritzeln, wobei er immer wieder das Muster eines fünfzackigen Sterns zeichnete, eine Angewohnheit aus seiner Grundschulzeit, in die er jedes Mal verfiel, wenn er nachzudenken versuchte. Der Stock war einer von Tausenden, ein trauriges Überbleibsel von den riesigen Bäumen, die einmal auf dieser Bergkuppe im Dschungel, nur drei Kilometer von Laos und zwei von der DMZ , der demilitarisierten Zone, entfernt gestanden hatten. Der Berg, einer von vielen ähnlichen, namenlosen Erhebungen in dem Gebiet – alle über tausendfünfhundert Meter hoch und in kalten Monsunregen und Wolken gehüllt –, hatte das Pech, ein kleines bisschen höher zu sein als die anderen. Aus diesem Grund hatte irgendein Stabsoffizier, der fünfundfünfzig Kilometer weiter östlich im Hauptquartier der Fünften Marineinfanteriedivision in Dong Ha saß, entschieden, dass die Kuppe von Vegetation befreit und planiert werden solle,
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