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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Seine Brust wogte in dem Bemühen, mehr Luft einzuziehen. »Wir haben beide das Feuer eröffnet. Sind in Deckung gegangen. Haben wie die Verrückten geballert. Vielleicht einen hab ich getroffen. Sie haben sich verpisst.«
    »In welche Richtung?«
    Rider schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Hangabwärts.«
    »Das wäre Süden«, sagte Mellas und zückte seine Karte. Er beorderte die Gruppe zurück, während Daniels das Gebiet südlich und östlich von ihnen mit Geschütz- und Granatwerferfeuer bestrich, wobei er die 105 -Millimeter-Geschütze über sein eigenes Funkgerät und die 60 -Millimeter-Mörser über das von Skosh dirigierte. Nach einer knappen Viertelstunde bewegte sich die Gruppe in das zuvor beschossene Gebiet. Alle waren auf der Hut; Pat zitterte vor Erregung, fügte sich aber in allem Arrans Anweisungen.
    Der Hund nahm eine Fährte auf und begann, ihr nachzuspüren. Die Gruppe folgte ihm ins Tal hinunter. Sie arbeiteten sich durch immer dichter werdenden Bewuchs, sahen gelegentlich einmal einen zerfetzten Busch, einen abgerissenen Ast oder von einer Granate frisch aufgewühlte Erde. Von diesen kleinen Anzeichen und dem Geruch des Explosivstoffs abgesehen, hatte das halbstündige Gefecht samt Artillerieeinsatz keinerlei Auswirkungen auf den Dschungel gehabt. Die Marines begannen, müde zu werden.
    Das Funkgerät rauschte. »Bravo One, hier ist Bravo Six. Big John will einen Gefechtsbericht. Er kann nicht mehr warten. Er muss mit Bushwhacker Six reden. Außerdem habe ich Golf Six auf dem Hals, und er will wissen, was seine Artillerie ausgerichtet hat. Over.«
    »Moment«, sagte Mellas. Er seufzte, während er sich den Handapparat vor den Mund hielt und nachdachte. Er wollte glauben, dass etwas Wichtiges vorgefallen, etwas Positives erreicht worden war, etwas, was er berichten konnte. Sie hatten eine Viertelstunde lang Granaten verschossen. Rider hatte bei der Gefechtsaufklärung Unglaubliches geleistet. Niemand war verletzt worden. Er wollte glauben, dass sie ihre Sache gut gemacht hatten. Und weil er es wollte, tat er es auch.
    »Bravo Six, hier ist Bravo One. Unser Buchstabe Romeo glaubt mit Sicherheit, dass er gleich bei Feuereröffnung einen erwischt hat. Er hat nur zwei Gooks gesehen, aber so wie sich das Ganze anhörte, müssen es mehr gewesen sein. Einen Wahrscheinlichen haben wir jedenfalls sicher. Over.«
    Kurzes Schweigen. »Wie sieht’s mit einer Artillerieschadensbewertung aus? Over.«
    Mellas sah Skosh an. Skosh schüttelte, immer noch vorgebeugt, den Kopf und spuckte aus. »Ich weiß nicht. Ich bin bloß der Scheißfunker.«
    Conman meldete sich zu Wort. »Melden Sie ihnen einen Wahrscheinlichen und schaffen Sie dem Skipper die Artillerie vom Hals. Sonst lassen die uns nie in Ruhe, Sir.«
    »Verdammt, ich kann ihnen keinen Wahrscheinlichen melden«, sagte Mellas. »Was habe ich denn für Beweise?«
    »Die brauchen keine Scheißbeweise. Die brauchen eine Artillerieschadensbewertung. Sagen Sie denen, es gibt hier jede Menge Blutspuren. Das gefällt denen immer.«
    Mellas sah Daniels an. Daniels hob beide Hände, die Handflächen nach außen gekehrt, und zuckte die Schultern. Es war ihm scheißegal.
    Mellas drückte den Sprechknopf. »Bravo Six, hier ist Bravo One Actual. Wir haben einen Wahrscheinlichen. Das ist alles. Over.« Er hatte keine Lust zu lügen, bloß damit sich ein Artillerieoffizier gut fühlte.
    Also wurde der eine Wahrscheinliche zum Faktum. Fitch meldete ihn dem Bataillon. Major Blakely, der Einsatzoffizier des Bataillons, beanspruchte ihn für das Bataillon, und zwar als bestätigt, weil Rider sagte, er habe den Mann, auf den er geschossen hatte, zu Boden gehen sehen. Der Kommandeur der Geschützbatterie jedoch beanspruchte ihn für seine Einheit. Die Berichte mussten zwei tote NVA -Soldaten ausweisen. Also taten sie es auch. Doch beim Regiment empfand man das als merkwürdig – zwei Tote ohne Wahrscheinliche. Also wurde ein Wahrscheinlicher hinzugefügt. Dabei handelte es sich jedoch um eine konservative Schätzung. Da nämlich die NVA ihre Toten und Verletzten stets barg, war es, wenn man zwei tötete, nur plausibel, dass es auch einige Wahrscheinliche geben musste. Für den Kommandeur des Artilleriebataillons war das ebenso plausibel: vier Bestätigte, zwei Wahrscheinliche, so würde es der Stab Colonel Mulvaney, dem Befehlshaber der Vierundzwanzigsten Marines, bei der Lagebesprechung des Regiments melden. Bis die Meldung jedoch in Saigon eintraf, hatten sich die zwei

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