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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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Wahrscheinlichen in Bestätigte verwandelt, die wiederum ohne Wahrscheinliche nicht plausibel waren. Also fügte man noch vier hinzu. Jetzt sah das Ganze stimmig aus. Zehn tote NVA -Soldaten und keine eigenen Verletzten. Das war saubere Arbeit.

Kapitel 4
    C olonel Mulvaney, der Regimentskommandeur, schritt gewichtig zwischen den Captains, Majors und Lieutenant Colonels hindurch, die Haltung angenommen hatten und darauf warteten, dass er seinen freien Platz vor den beiden Reihen von Klappstühlen erreichte. Die feuchte Luft im Zelt roch nach Mottenkugeln. Bei seinem Stuhl angekommen, bedachte er Major Adams mit einem kurzen Knurren, und dieser forderte die Männer knapp auf, Platz zu nehmen.
    Mulvaney nahm die Unterlagen zur Hand, die man auf seinen Stuhl gelegt hatte, und blätterte sie kurz durch. Er war in Gedanken noch bei der letzten Besprechung mit dem Divisionsstabschef über die bevorstehende Such- und Abriegelungsoperation bei Cam Lo. Diese musste »unter allen Umständen ARVN -Truppen und lokale Milizen einbeziehen«. Sie werde »große Beachtung finden« und sei »von besonderer politischer Bedeutung« – und war nach Mulvaneys Ansicht nur von besonderer Absurdität. Man hatte ihn aufgefordert, zwei Bataillone dafür abzustellen – nachdem er sich vehement dagegen ausgesprochen und eine anschauliche Analyse der Unfähigkeit der ARVN , der Armee der Republik Vietnam, geliefert hatte. Zwei Bataillone für diesen Unfug.
    Major Adams räusperte sich. Mulvaney seufzte, ließ seinen massigen Körper auf den Stuhl sinken und nickte Adams zu, der sich sogleich einer großen Karte zuwandte und mit einem Zeigestock darauf zeigte.
    »Heute um elf Uhr siebenundvierzig kam es bei Gitterkoordinaten 689   558 zu einem Kontakt zwischen einer gruppengroßen Einheit der Bravo-Kompanie One Twenty-Four auf einem routinemäßigen Spähtruppunternehmen und geschätzten zehn bis fünfzehn Vietnamesen. Zwei bestätigte Tötungen, eine wahrscheinliche. Die Bravo-Kompanie meldet keine Verluste. Artilleriefeuer wurde angefordert, wobei zwei bestätigte Tötungen und eine wahrscheinliche gemeldet wurden. Das Wetter verhinderte Luftangriffe.«
    Mulvaney wusste, dass er eigentlich eine Frage stellen sollte. Aber es ärgerte ihn, dass Adams ständig »One Twenty-Four« sagte, als ob er, Mulvaney, nach sechsundzwanzig Jahren beim Marine Corps nicht wüsste, dass die Bravo-Kompanie seines eigenen Regiments dem ersten Bataillon angehörte. Dennoch zügelte er sein Temperament, denn er musste an seine Frau Maizy denken, die ihn noch am Flughafen erneut ermahnt hatte, nicht immer gleich aufzubrausen – nicht nur seinen Untergebenen zuliebe, sondern auch wegen der Karriere. Eine scheißgemeinsame Operation mit den Süd-Gooks. Bei der man um irgendein gottverdammtes Kaff herumhockte, während ihre Schlägertrupps reingingen und die zivile politische Opposition fertigmachten. Wieder fiel ihm ein, dass man eine Frage von ihm erwartete.
    »Irgendwelche Informationen gewonnen?«, fragte er. »Waffen erbeutet?«
    Mit dieser Frage hatte sich Adams nicht befasst. Er warf einen raschen Blick auf die zweite Stuhlreihe, wo sich Lieutenant Colonel Simpson, der Kommandeur des Ersten Bataillons, und Major Blakely, sein Einsatzoffizier, auf ihren Stühlen hinter Mulvaney vorgebeugt hatten. Blakely, der sofort erkannte, dass Adams auf Mulvaneys Frage nicht vorbereitet war, schüttelte mit streng geschürzten Lippen rasch den Kopf. Adams beantwortete die Frage des Colonels, fast ohne innezuhalten. »Negativ, Sir. Unsere Einheit hat sich unmittelbar nach dem Kontakt zurückgezogen, um Artillerie zum Einsatz zu bringen.«
    Erneut gab Mulvaney einen Knurrlaut von sich. Obwohl es schon ein Vierteljahrhundert her war, kam es ihm so vor, als hätte er erst letztes Wochenende selbst Spähtrupps in den Dschungel geführt. Wenn er den verdammten Spähtrupp angeführt hätte und auf eine Einheit von unbekannter Größe gestoßen wäre, hätte er sich auch so schnell wie möglich aus dem Gebiet abgesetzt und sich nicht noch die Mühe gemacht, Papiere einzusammeln.
    Zwei Tötungen für die Bravo-Kompanie und zwei weitere für die Golf-Batterie, ohne eigene Verluste – das war als Tagesbilanz ganz gut. Ihm kam der Gedanke, dass es vielleicht sogar etwas zu gut war, aber er beschloss, keine Fragen zu stellen, die Simpson in ein schlechtes Licht rücken könnten – oder auch ihn selbst, weil es so aussähe, als traute er seinen Offizieren nicht. Er sah, wie Simpson,

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