Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
Prenzlauer Berg bringen musste, wo er die Gelegenheit nutzte, bei Konnopke in der Schönhauser Allee eine Currywurst zu essen und eine Cola in sich hineinzuschütten, unter der obligatorischen Verdammung des US -Imperialismus, während über ihm die U 2 entlangdonnerte. Dann bildete er sich ein, auf dem Stellplatz an der Ecke Kochstraße/Friedrichstraße sein Glück zu finden, fand aber nur eine neue Geduldsprüfung, bis ein durchgestylter Lackaffe mit Alkoholfahne in die Mohrenstraße gefahren werden wollte. Matti kochte und fuhr. Der Typ war bestimmt ein Rechtsanwalt für Immobilienhaie und hätte ihn wegen Verletzung der Beförderungspflicht verklagt, wenn Matti seinem ersten Impuls gefolgt wäre. Trinkgeld gab es auch nicht. Der Tag endete, wie die kommenden beiden beginnen und aufhören würden. Viel warten, wenige Fahrgäste, manche ganz nett, andere pampig, und obwohl er fast nur herumsaß, las er kaum, sondern döste oder tagträumte von Lily. Zwei Mal hatte er schon das Handy in den Fingern, aber dann wählte er ihre Nummer doch nicht.
An den Abenden lungerte er in der Küche herum, quatschte mit Dornröschen, genauer gesagt, er redete irgendwas, und sie schien zuzuhören, denn sie hatte gerade ihre schnippische Phase, allerdings die gnädige Periode, in der ungnädigen tat sie nicht mal so, als würde sie sich für einen und für das, was man sagte, interessieren. Diese Phasen kamen und gingen, und ihr Rhythmus war durch nichts zu beeinflussen außer durch eine Demo oder einen Bullenüberfall. Erstaunlicherweise waren die Freitagabende phasenfrei, was darauf hindeuten mochte, dass ein paar Runden Mau-Mau Dornröschen genauso begeisterten wie der wahre und echte Klassenkampf. Twiggy tauchte in diesen Tagen selten auf, und wenn, dann war er müde, glotzte al-Dschasira und schnarchte manchmal so laut, dass die anderen es auf dem Flur hörten. War er nicht da, nutzte Robbi die Gelegenheit, die verbleibenden Opfer zu tyrannisieren und seine Diktatur zu festigen.
Am Morgen des dritten Tages, nachdem Matti Norbi die DVD gebracht hatte, frühstückten sie schweigend zusammen in der Küche, Dornröschen ihr Birchermüesli und einen Becher Tee, Twiggy ein Leberwurstbrot und einen stark gesüßten Kaffee, Matti nur Kaffee schwarz und Robbi eine Portion Thunfischfutter. Sie hörten im RBB Inforadio von der griechischen Staatspleite, den Nachwehen der großen Krise, den Heldentaten eines großmannssüchtigen Außenministerdarstellers, vom Niedergang Obamas und am Ende eine Lokalmeldung:
Berlin. Heute Morgen gegen neun Uhr wurde ein Mitarbeiter eines Tempelhofer Ingenieurbüros an seinem Arbeitsplatz ermordet aufgefunden. Kollegen fanden die Leiche des Vierundfünfzigjährigen erschossen an seinem Schreibtisch. Das Büro wurde durchwühlt und erheblicher Sachschaden angerichtet. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.
3: Let’s See Action
S ie saßen wie erstarrt und sagten kein Wort. Selbst Robbi schien geschockt zu sein, er stand da und guckte mit großen Augen Twiggy an, dann Matti und Dornröschen. Nach ein paar Sekunden aber begann er wieder zu schmatzen.
Die drei blickten sich an, und Matti sagte: »Tempelhofer Ingenieurbüro, vierundfünfzig, das ist Norbi. So eine Scheiße«, aber er sagte es nur, weil er meinte, jemand müsse anfangen zu reden.
»So eine Scheiße«, wiederholte Twiggy und betrachtete eingehend den Rest seines Leberwurstbrots. Dornröschen schaute zwischen den beiden hindurch auf den Küchenschrank, als fände sich dort des Rätsels Lösung. »Das muss er nicht sein«, sagte sie bedächtig.
Matti nahm sein Handy und wählte eine Nummer. Er schaltete den Mithörlautsprecher ein.
»Ingenieurbüro Rastmann«, sagte eine leise Stimme.
»Ich hätte gern Herrn Kaloschke gesprochen, es ist dringend.«
Schweigen. Dann die leise Stimme: »Herr Kaloschke ist … tot.«
Matti legte auf.
Sie sagten lange nichts.
»Ob das was mit der DVD zu tun hat?«, fragte Matti endlich, und ihm wurde heiß und kalt.
»Warum?«, fragte Twiggy.
»Na, ich fahr hin, und Norbi wird umgebracht. Ich hätte ihn anrufen sollen …«
»Quatsch«, sagte Dornröschen leise. »Der hätte sich gemeldet, wenn er herausgefunden hätte, was da drauf ist.«
»Na, so schade ist es nicht um ihn«, sagte Twiggy.
»Nun ist’s aber gut!« Matti blies Qualm über den Tisch.
Dornröschen war in sich versunken, und den anderen blieb nichts übrig, als zu warten, bis sie wieder auftauchte aus der
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