Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
verblüffend leicht von den Lippen. Er hatte es tatsächlich vergessen.
Konny grinste ihn von der Seite an, dann beschäftigte er sich mit dem Tagesspiegel . Immerhin verkniff er sich während des Telefonats seine differenzierten Kommentare.
»Heute Abend habe ich noch nichts vor«, sagte sie, schon ein bisschen weniger maulig, und Matti fragte sich, was sie eigentlich von ihm wollte. Was machte ihn so attraktiv für sie, dass sie ihn bedrängte? Früher war es andersherum gewesen. Es wäre unter ihrer Würde gewesen, mehr als beiläufiges Interesse zu zeigen.
»Ich habe heute Abend leider einen wichtigen Termin.« Ein kurzes Angrinsen von Konny.
Schweigen. Dann: »Aha. Und …?«
» WG «, sagte Matti.
»Du meinst, es ist dir wichtiger, dich mit den Leuten zu treffen, die du sowieso jeden Tag siehst?«
»Nein«, stammelte Matti, und er ärgerte sich, dass sie ihn in diese Misslichkeit brachte. »Es ist eine wichtige … Sitzung. Wirklich sehr wichtig.«
»Aha«, sagte sie wieder. »So wichtig also.«
»Ich erklär’s dir später.«
»Die Liste der Dinge, die du mir noch erklären musst, wird immer länger.«
»Nein, es geht immer um das gleiche … Projekt.«
»Na dann«, schnappte sie und trennte das Gespräch.
Matti pustete. Das Cabrio fuhr weiter, der Kurier zeigte der Fahrerin den Mittelfinger und trat wütend in die Pedale wie Lance Armstrong mit frischem Blut.
Als sie hinter einem Brauereilaster in die Zornstraße hineinfuhren, entschied sich Matti für den Parkplatz der Getränkehalle.
Er parkte neben einem angerosteten Nissan und hinter einem blank polierten Beetle und zog den Verriegelungsgriff für die Motorhaube. »Mich kennen die wahrscheinlich, also solltest du mal in den Getränkemarkt gehen und einen Sechserpack besorgen, ist für Twiggy, also für einen guten Zweck. Dann öffnest du die Motorhaube und tust so, als hätten wir Schwierigkeiten. Wenn ich pfeife, klappst du die Haube zu. Okay?« Er kam sich ein bisschen blöd vor, wie er sich da Kommandos geben hörte. Aber Konny hob nur ein paar Augenblicke die Brauen, dann seufzte er leise, stieg aus und latschte, bewegt von der Macht der Logik, zum Getränkemarkt.
Matti sah hinüber zum Detekteigebäude, das gerade von einer dunkelblauen Wolke beschattet wurde, während sich außenrum die Sonne im Beton spiegelte. Matti gefiel das Bild: das Zentrum des Bösen. Dann dachte er an Lily. Irgendwie war es anders, als er es sich ersehnt hatte. Er musste gar nicht um sie werben, sie lief ihm fast nach, sie zeigte Initiative, wenn es nach ihr ginge, wären sie jede Nacht zusammen. Der Gedanke erregte ihn, aber weit unten in seinem Hirn rieb etwas. Vielleicht nur, dass sie weniger begehrenswert geworden war, weil sie sich ihm nicht entzog.
Ein Lieferwagen dieselte vorbei, aus dem Auspuff quoll blauschwarzer Qualm. Im Gebäude bewegte sich nichts. Die Jalousien waren geschlossen. Allmählich zog die Schattenwolke weiter.
Matti schaute auf die Uhr, es war Viertel vor fünf, und in diesem Augenblick öffnete sich das Hoftor. Verdammt, wo steckte Konny? Panik kündigte sich an, Matti drängte sie weg. Doch spürte er den Schweiß auf der Stirn. Eine Schwachsinnsidee, ihn Bier kaufen zu schicken. Sollte er selbst aussteigen, um die Motorhaube zuzuklappen? Es würde vielleicht auffallen. Als er gerade einen heftigen Fluch auf der Zunge hatte, sah er den Renault hinausrollen, und das Tor schloss sich wieder. Er starrte zum Getränkemarkt, als könnte er Konny so herbeizitieren. Jetzt fiel ihm ein, dass er ihn anrufen könnte. Also doch Panik. Als er die Nummer wählte, sah er Konny heranschlendern, die Macht der Logik führte ihn zwar, aber sie beschleunigte ihn nicht.
Konny packte den Sechserpack hinter den Beifahrersitz, dann öffnete er die Motorhaube und beugte sich in den Motorraum. Er fummelte herum, dann sagte er: »Also Kolbenfresser, Zylinderkopfdichtung ist im Eimer, die Lichtmaschine ist durchgebrannt, der Öltank leckt, mit der Einspritzpumpe kann man nicht mal mehr Kaffee kochen. Alles Schlüssel-Rainers Werk.« Er knallte die Motorhaube zu, und in diesem Augenblick kam sich Matti dämlich vor. Denn nichts war auffälliger als ein Typ, der bei offener Motorhaube an einem Auto bastelte. Da guckte jeder hin. In diesem Augenblick war er überzeugt, dass sie den Quatsch lassen sollten, dass der Typ vom Potsdamer Platz sowieso schlauer war als sie alle zusammen, dass die Leute in der Detektei an den Monitoren der Überwachungskameras
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