Matti & Dornröschen 01 - Das Dornröschen-Projekt
anderes Auto den unfreiwilligen Puffer spielen könnte, aber nun musste es so klappen. Matti simulierte Ärger mit dem Kartenausgabeautomaten und stieg schließlich aus, ohne den Wagen hinter ihm zu beachten. Er kehrte dem Audi seinen Rücken zu, zog die Parkkarte, bekam einen Hustenfall, beugte sich nach vorn, entnahm den Kaugummi, als er sich beim Husten die Hand vor den Mund hielt, und stopfte ihn schnell, aber kräftig in den Schlitz für die Parkkarten. Die Schranke war noch offen, er setzte sich hinters Steuer und fuhr langsam los. Die Schranke schloss sich. Dann gab er Gas, musste die enge Bahn nach oben ins erste Stockwerk fahren, um dann die Ausfahrt zu nehmen, die in die Wichertstraße führte. An einem Ausgang bremste er hart, ließ den Motor laufen, sprang die Treppe hinunter zum Bezahlautomaten, warf den verlangten Euro Mindestgebühr ein, rannte die Treppe hoch, setzte sich ins Auto und gab Gas. Niemand war hinter ihm, als er die Schranke der Ausfahrt passierte. Auf der Wichertstraße beschleunigte er und schaute immer wieder in den Spiegel. Der Audi tauchte nicht auf, Matti schnaubte einmal, dann schlug er aufs Lenkrad.
»Wir fahren jetzt noch ein bisschen spazieren, auch wenn wir zu spät kommen.« Er deutete auf den Rückspiegel. »Bieg dir den mal zurecht und beobachte fortlaufend, ob uns einer folgt.«
Konny richtete den Spiegel aus und schniefte. »Ich hab mal ’nen Spionageroman gelesen, da hieß das ›Schüttelstrecke fahren‹.«
Matti grinste. Er bog ein in die Prenzlauer Allee, Richtung Autobahn 114, und fuhr langsam auf der rechten Spur. Links und rechts Läden und Kneipen und die Fassaden fast durchweg neu. Die Gentrifizierung war im Gange. Er lenkte den Fiat auf die Autobahn. »Sobald wir alle Wagen, die jetzt hinter uns sind, loswerden, fahren wir zum Friedhof.« Er wurde langsamer, bald fuhr er nur noch sechzig, und bald waren alle Autos, die hinter ihm gewesen waren, vorbeigezogen.
»Wir können«, sagte Konny.
An der Schönerlinder Straße verließ er die Autobahn. Hier war es schon grün, beidseitig unbebaut, Felder, Wiesen, Büsche, Bäume. Doch nach ein paar hundert Metern auf der Bundesstraße 109 in Richtung Mitte begann schon die Stadt, so, wie alle Städte beginnen, mit den ewig gleichen Gewerbegebieten, den Tankstellen, Handwerksfirmen, Speditionen, Autohäusern und Billigläden. Es ging zurück über die B 96a, die Skalitzer Straße entlang, in der Mitte geteilt durch die lange U-Bahn-Überführung, die Gleise der U 1 auf Stahlstelzen, und am Kottikreisel links weg.
Twiggy und Dornröschen warteten schon am Tor, auf dessen Bogen in verwitterter Schrift Friedhof der St.-Michael-Gemeinde stand. Unter einem Schild, das allen, die vor dem Eingang zu parken wagten, das Abschleppen androhte, hatte jemand Vögel auf den Putz gemalt, Elstern vielleicht. Die beiden hatten sich hinter einer Torsäule verborgen.
Matti und Konny hatten das Auto in der Leinestraße abgestellt, bloß nicht am Haus und bloß nicht am Friedhof. Sie hatten Angst, die Sache lief aus dem Ruder. Was bisher eher ein Abenteuer gewesen war, entwickelte sich mit einer Dynamik, der sie nicht gewachsen waren.
Sie gingen die Allee hinunter zum Kruzifix mit der Aufschrift Es ist vollbracht , Dornröschen in der Mitte, Matti rechts von ihr, Konny nach hinten versetzt, er übernahm die Sicherung der Gruppe und schaute sich immer wieder um. Niemand folgte.
»Die überwachen uns auf Schritt und Tritt. Der Audi-Typ hätte sich nicht zeigen müssen, aber er hat es getan. Die führen einen Psychokrieg gegen uns. Nicht wir verfolgen sie, sondern sie uns. Wahrscheinlich haben sie die Wanzen in der Wohnung so eingebaut, dass wir sie finden müssen, wenn wir nicht total bescheuert sind, und die richtigen Wanzen sind welche, die man mit unseren Mitteln nicht findet.« Während Matti seine Vermutungen äußerte, verwandelten sie sich in Gewissheiten. Es konnte nicht anders sein. Die Typen verarschten sie nach Strich und Faden.
»Und nun?«, fragte Twiggy.
Aber Dornröschen schwieg weiter. Sie gähnte nicht einmal.
»Wir könnten nicht mal einfach aufhören. Oder aufgeben«, sagte Twiggy. »Wir haben es nicht mehr in der Hand. Als wir angefangen haben mit der DVD , da haben wir die Sache in Gang gesetzt, und nun geht es immer weiter, und wir wissen nicht einmal, was es ist.«
»Vielleicht sollten wir doch jemanden finden, der herauskriegt, was auf der DVD ist«, sagte Matti, aber ihn schauderte. »Vielleicht doch
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