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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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gegenüberliegenden Gebäude.
    »Ja«, hörte er die Jungfer Kölla sagen. Aber da hatte er sich schon weit aus dem Fenster gelehnt; er starrte auf ein Mädchen, das gebeugt, das Schnupftuch vors Gesicht gedrückt, dem Eingangstor der Abteilung zustrebte.
    Eine weinende Frau… Es konnte allerlei bedeuten. Aber Studer mußte an das junge Tüpfi denken, an die Pflegerin Irma Wasem, die sich eingebildet hatte, in nächster Zeit Frau Direktor zu werden…
    Er rief der dicken Köchin zu, sie solle schnell ans Fenster kommen, wies auf das Mädchen und fragte, wer das sei.
    Das sei eben die, von der sie vorher gesprochen hätten, die Wasem… Aber die Jungfer Kölla verstummte, begann zu lachen, denn Studer hatte sich über die Fensterbrüstung geschwungen. Er lief über den Rasen, verwickelte sich in ein flatterndes Leintuch, erreichte das Mädchen, gerade als es seinen Schlüssel ins Schloß steckte. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte sehr sanft und väterlich:
    »Was isch passiert?« Und ob sie nicht ein paar Schritte machen wolle, er habe sie einiges zu fragen.
    Das Schnupftuch war naß zum Auswinden. Tränen liefen über die Backen…
    Nur eines konnte das Mädchen beruhigen: Sachlichkeit!… Es entsprang kaum einer bewußten Überlegung, es war mehr instinktiv: Studer verzichtete auf den üblichen mitleidigen Ton und fragte beintrocken:
    »Darf man euch gratulieren, Fräulein Wasem? Seid ihr Frau Direktor geworden?«
    Aufblicken… Trotz… Die Tränen versiegten…
    »Wer sit ihr?«
    »Wachtmeister Studer von der Fahndungspolizei…«
    »Um Gottes willen! Ich hab's gewußt! Ist dem Ueli etwas passiert?«
    Ueli… Direktor Dr. med. Ulrich Borstli von der Heil- und Pflegeanstalt Randlingen war einfach der Ueli… Glücklicher alter Herr… Eigentlich hätte Studer nichts dagegen gehabt, wenn ihn die Irma ›Köbi‹ genannt hätte, oder besser noch ›Köbeli‹. Des Wachtmeisters Frau hatte sich angewöhnt, ihn ›Vatti‹ zu nennen. Das ging ihm manchmal auf die Nerven.
    »Wir wissen noch nichts«, sagte Studer. »Haben Sie noch niemanden gesprochen?«
    Kopfschütteln. Studer entschloß sich:
    »Das Direktionsbüro sieht aus, als ob dort ein Kampf stattgefunden hätte… Blutspuren am Boden… Die Schreibmaschine streckt alle Tasten von sich…« Warum gebrauchte er wohl die Redewendung des Dr. Laduner?… Studer schüttelte über sich selbst den Kopf. Dann beendete er seinen Bericht: »Der Herr Direktor ist verschwunden und der…«
    »Der Jutzeler! Der Abteiliger vom Männer-B!«
    Eigentlich hätte Studer den Satz ganz anders beenden wollen, nämlich: ›Und der Patient Pieterlen ist durchgebrannt… ‹ Darum war er im Augenblick über die Unterbrechung erstaunt.
    »Der Jutzeler?« wiederholte er und mußte sich besinnen, wer dieser Mann war… Den kannte er doch schon… Der hohe, schlanke Mann, mit dem roten Wappen auf dem Revers seines Kittels, dessen Stimme sich über die Schroter beklagt hatte…
    »Was ist mit dem Jutzeler?« fragte er.
    »Sie haben zusammen Krach gehabt. Der Ueli… der Herr… Herr Direktor und der Abteiliger…«
    »Wann?«
    »Darum hab' ich doch so lange warten müssen, fast dreiviertel Stunden… Ich hab' sie zuerst durch die Glastüre im Mittelbau gesehen. Das Licht hat in der Halle gebrannt… Der Jutzeler hielt den Direktor auf, sprach wütend auf ihn ein. Sie gingen dann zusammen ins Direktionsbüro… Ich hab's gesehen… Nach einer halben Stunde kam er dann allein aus der Tür und ging in seine Wohnung hinauf… Er kam im Lodenkragen zurück. Unter dem Arm hielt er eine Ledermappe. Ich frug ihn: ›Was willst du mit der Mappe?‹… Er winkte ab. ›Wir fahren morgen früh. Geh' jetzt in dein Zimmer.‹ Er hat mich bis zum Frauen-B begleitet und ist dann zurückgegangen!«
    »Um halb zwei?«
    »Ja, es war etwa halb zwei. Und heut morgen wollte er mit mir nach Thun… Ich hab' lang auf dem Bahnhof auf ihn gewartet…«
    »Und Sie haben nachher nichts mehr gehört, Fräulein Wasem?«
    »Nein. Das heißt, es ist mir vorgekommen, so um viertel vor zwei, als ob jemand um Hilfe schreie… Aber es schreien so viele hier…«
    »Sie schlafen allein? Ich meine… eh… Sie haben ein Zimmer für sich allein?«
    »Nein, eine Kollegin schläft im gleichen Zimmer.«
    »Und niemand kontrolliert die Schwestern, um welche Zeit sie heimkommen?«
    »Die andern wohl, aber mich… Nein!«
    Studer seufzte. Ach ja… Wenn man der Schatz vom Herrn Direktor war, drückte auch die Schwester

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