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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Schaufeln bringen, und so gab es einen Match. Aber er fand bei sich, daß Gilgen reichlich frech spiele, was aber seine Zuneigung zu dem kleinen rothaarigen Pfleger noch erhöhte.
    Dann erklärte Gilgen, er müsse nun essen gehen. Er könne den Wachtmeister noch ins Parterre hinunter begleiten, zum Weyrauch, um die Schlüssel zu holen. Ein anderer Pfleger kam ablösen. Bevor Gilgen die Tür zum Stiegenhaus öffnete, kam Schül mit einem Tablett, schwerbeladen mit Suppentellern, vorübergehastet.
    »Den, wenn ich erwisch, der die Welt erschaffen hat!« rief er den beiden zu und lachte dazu mit seinem zahnlosen, vernarbten Mund.
    Und lachend stiegen die beiden ins Parterre hinab, von wo noch einmal eine Treppe tiefer ging. »Ins Sous-sol«, erklärte Gilgen. Wieder ein Gang. An dem Ende, das gegen das U ging, war man mit Umbauen beschäftigt, und Gilgen erklärte, dorthin komme auch ein Aufenthaltsraum mit bunten Möbeln. Dr. Laduner habe es durchgedrückt, daß die Anstalt ein wenig erneuert werde, er habe auch die Maler- und Maurergruppen zusammengestellt, gewöhnlich ein Dutzend Patienten mit einem Pfleger, der früher den Beruf ausgeübt habe.
    »Und ihr mochtet Pieterlen gern?« fragte Studer plötzlich. Gilgen blieb stehen, spielte mit seinem Schlüsselbund.
    »Gället, Wachtmeischter«, sagte er, und er machte ein Gesicht dazu wie eine ängstliche Maus. »Ihr laßt dem Pieterlen noch Zeit… Ihr verhaftet ihn nicht gleich…«
    – Verhaften? Wer hat etwas von Verhaften gesagt? Pieterlen war noch nicht einmal ausgeschrieben… Einzig, daß er zu gleicher Zeit mit dem Direktor verschwunden sei, habe dazu Anlaß gegeben, daß Dr. Laduner ihn, den Wachtmeister, von der Behörde angefordert habe… Nei, nei! Kei Red vo Verhafte… Aber was denn der Gilgen vom Pieterlen wisse?
    »Nüt, gar nüt!« sagte Gilgen und steckte den Schlüsselbund wieder ein… Aber der Pieterlen tue ihm leid. Er sei ein guter Tropf gewesen, viel zu gut…
    Sie waren mitten im Gang stehengeblieben. Wie oben, zweigte auch hier ein schmales Gänglein ab. Daraus drang Stimmengewirr, eine Stimme sonderte sich ab und sagte:
    »Wenn jetzt noch die Schroter auf den Abteilungen herumfuhrwerken, dann kann's ja gut werden…«
    Es war die Stimme des Abteiligers Jutzeler, und sie tönte lange nicht so respektvoll wie vor knapp einer Stunde. Gilgen führte den Wachtmeister schnell weiter, hin zu einer Tür und klopfte. Der Herr Oberpfleger Weyrauch speiste in seinem Zimmer zu Mittag. Er saß da, zufrieden mit sich und der Welt, und der Speck, den er verspeist hatte, hatte einen glänzenden Rand um seinen Mund zurückgelassen…
    »Eh, die Schlüssel für de Herr Wachtmeischter? Selbschtverständlich! Eksküseeeh.« Stand auf, suchte herum. »Ja, der Herr Dr. Laduner hätt mr Order gä… Sooo, Herr Wachtmeischter… Hier…«
    Auf dem Schreibtisch, nahe beim Fenster, zu dem Studer dem Herrn Weyrauch gefolgt war, lagen Hefte über Nacktkultur.
    »Hähähä«, lachte der Herr Oberpfleger. »Öppis fürs Gmüet! Gället, Herr Wachtmeischter?« und stieß Studer sanft in die Seite.
    Mira! Fürs Gemüt! Studer hatte eigentlich nichts dagegen. Aber er konnte es nicht verhindern, daß ihm der Oberpfleger Weyrauch eher unsympathisch war. Vielleicht war das auch nur ein Vorurteil.
    Draußen wartete geduldig der rothaarige Gilgen. Er folgte dem Wachtmeister bis zur Eingangstür des B, die auf den Hof führte, öffnete sie und blieb dann stehen. Er hatte die Hände in den Schürzenlatz gesteckt, und dort ruhten sie wie in einem dünnen, weißen Muff.
    »Apropos«, sagte Studer. »Was hat der Schül für eine Krankheit? Hängt die mit seiner Verwundung zusammen?«
    Gilgen schüttelte den Kopf wie ein ganz Gescheiter. Nein, die Geisteskrankheit hänge nicht mit der Verwundung zusammen.
    – Was es dann sei?
    »Eine Schützovrenie…«
    »Was?«
    »Eine Schützovrenie«, sagte Gilgen laut und deutlich. Sie hätten das im Kurs gelernt.
    Und der Pieterlen, was habe der gehabt?
    »Eine Schützovrenie…« wiederholte Gilgen.
    – Aber die letzte Zeit habe er doch nicht gesponnen, der Pieterlen. – Nein, er sei ganz normal gewesen. – Wie lange er denn in der Anstalt sei?
    »Vier Jahre…«
    »Warum denn so lange?« wunderte sich Studer.
    Vorher sei er drei Jahre im Zuchthaus gesessen, und dort sei er ›überekelt‹.
    Warum im Zuchthaus?
    »Kindsmord!« flüsterte Gilgen. Und Studer solle den Dr. Laduner fragen, der werde ihm Auskunft geben… Pause. –
    Dann

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