Matto regiert
muß, daß der Name, den man trägt, von einem mißratenen Element in den Schmutz gezogen wird, dann kann man es nicht genug verurteilen, wenn ein Arzt, ein Seelenarzt, die Partei des Sohnes gegen den Vater ergreift…«
Studer schnitt ein Gesicht, als ob er Zahnweh habe. Dr. Laduner beugte sich vor, schien etwas sagen zu wollen, gab die Absicht auf, zog die Hände zwischen den übergeschlagenen Beinen hervor und zündete sich eine Zigarette an. Oberst Caplaun zog ein ledernes Etui hervor, und das Inbrandsetzen der Zigarre war eine heilige Handlung… Studer zündete eine Brissago an… Die Temperatur des Zimmers schien nahe dem Nullpunkt zu sein…
»Ich habe eingewilligt«, sagte Oberst Caplaun, »daß mein Sohn, der mir nur Kummer bereitet hat, dessen Leichtsinn seiner Mutter ein frühes Grab geschaufelt hat, der mir durch seine Bosheit seit fünfundzwanzig Jahren zu schaffen macht…«
»Sie müssen, um klar sehen zu können, zwei Dinge wissen, Studer: Herberts Mutter ist gestorben, als der Bub sechsjährig war, das wäre das eine. Und das zweite: Herbert ist jetzt neunundzwanzig Jahre alt… Seit fünfundzwanzig Jahren, sagt der Herr Oberst…«
»Ich verbitte mir jegliche Ironie!« brauste der Oberst auf.
Laduner schwieg.
»Herr Dr. Laduner hat sich seinerzeit an mich gewandt und mich angefleht, ihm meinen Sohn in Behandlung zu geben – in die »›
Analyse
‹«, wie er sagte…« Das Wort ›Analyse‹ sprach er aus, als ob es zwischen sechs Anführungszeichen stünde… »Er versprach mir, alle Verantwortung zu übernehmen und mich dadurch zu entlasten. Zuerst erwies sich eine kurze Internierung als notwendig. Ich hätte sie länger gewünscht, aber da Herr Dr. Laduner die Verantwortung zu übernehmen gewillt war, hatte ich nichts einzuwenden. Aber, wie hat er diese Verantwortung gehandhabt? Mein Sohn ist ein Säufer, Wachtmeister, ich sage dies mit blutendem Vaterherzen, er ist aus der Art geschlagen, daheim hatte er immer das leuchtendste Beispiel vor Augen…«
Studers Blick saß so auffällig und fest auf der knospend roten Gurkennase, daß der Oberst den Blick nicht gut ignorieren konnte. Er räusperte sich und sagte, merklich weniger pathetisch und schier entschuldigend:
»Es ist eine Hautkrankheit…«, wozu er mit dem Finger auf seine Nase deutete.
»Ge-wiß!« bekräftigte Dr. Laduner mit todernster Miene. »Ähämhäm«, sagte der Oberst und sog an seiner Zigarre. Er verzog das Gesicht, als sei der Rauch bitter. »Was ich sagen wollte… Mein Sohn Herbert hat sich verpflichtet, während der Dauer der… ›Analyse‹… hier im Dorfe Randlingen bei einem Gärtner zu arbeiten, sich des Alkohols zu enthalten und fleißig in die… häm… Analyse zu gehen. Er hat mir dies in die Hand versprochen, obwohl er mein Vertrauen bitter getäuscht hat, schon oft… Und was muß ich erfahren, wie ich heute nach Randlingen komme und meinen Sohn besuchen will? Daß er seit einer Woche sein Zimmer aufgegeben hat, daß er nur noch unregelmäßig arbeitet… Niemand weiß, wo er wohnt, und Herr Dr. Laduner verweigert mir jede Auskunft über den Aufenthaltsort meines Sohnes. Und als ich mich mit angstvollem Vaterherzen an den Herrn Doktor wende, was sagt mir der Herr? Was hat er die Stirne…«
»Daß Aufregung unnötig sei, da ich ja die Verantwortung zu tragen hätte…«
»Ich bitte Sie, Herr Studer, ist das eine Antwort? Wobei Sie nicht vergessen dürfen, daß sonderbare Dinge in der Anstalt Randlingen vorgehen. Der Herr Direktor, ein alter Freund von mir, der mir in einem vertraulichen Moment seine Zweifel, seine durch lange Erfahrung begründeten Zweifel an der modernen Behandlungsmethode des Dr. Laduner ausgedrückt hat, der Herr Direktor ist tot… Wie ist er gestorben?… Geheimnis, das Sie wohl berufener sind als ich, aufzuklären… Ich denke mir, Dr. Laduner wird durch diese neue Situation sicher nicht mehr die Muße finden, sich meinem Sohne so zu widmen, wie er es sicher gerne möchte, ich komme und biete ihm an, ihm die Verantwortung tragen zu helfen, ich biete ihm die Hand… Was antwortet mir der Herr Direktor?…«
Armer Herbert Caplaun, dachte Studer, wenn der nicht hat zurechtkommen können auf der Welt, so ist das weiter nicht erstaunlich bei
dem
Vater! Und Mitleid für den verpfuschten Herbert ergriff ihn…
»Was antwortet mir der Herr Direktor? Ich möge die Kur, die sich gut anlasse, nicht mutwillig unterbrechen… Und ich bitte Sie, worin besteht die Kur?… Die
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