Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
zu sein. Blitzschnell hatte er erfaßt, daß er sich im Ton vergriffen hatte, und gemütlich brummte er jetzt im tiefen Baß: »Aber, Wachtmeister… wie war doch Ihr Name… Studer!… ganz richtig! Studer! Also Herr Wachtmeister Studer, hören Sie einmal… Ich bin doch ein alter Freund Ihres Vorgesetzten, des Polizeidirektors, und der hat Sie immer zu rühmen gewußt, ›Der Studer‹, hat er gesagt, ›der ist einer meiner besten Fahnder.‹«
    Merkwürdig, aber Studer lächelte nicht einmal. Der Herr Caplaun hatte also ganz den Kommissar an der Stadtpolizei vergessen, dem er das Genick gebrochen hatte. Natürlich, der Herr Oberst hatte andere Interessen… Was war schon so ein kleiner Fahnder, wenn es um Sanierungen, Käseunion und andere wichtige Sachen ging!…
    »… einer meiner besten Fahnder. Und Sie führen hier eine Untersuchung, habe ich beim Portier gehört? Dann werden Sie mir sicher nicht eine Bitte verweigern… Mein Sohn, Wachtmeister, mein Sohn ist verschwunden…«
    »Wird nid sy!« sagte Studer ehrlich erstaunt. Gestern nachmittag hatte der Herbert Caplaun noch auf dem Ruhebett gelegen, und Tränen waren ihm über die Backen gerollt… Und heute sollte er verschwunden sein?
    »Wollen wir die Sache nicht in Ruhe besprechen?« worgelte der tiefe Baß. »Kommen Sie mit, Wachtmeister, wir gehen zusammen ins Dorf, ich muß bald auf den Zug…« – die typische Geste, mit der beschäftigte Herren die Uhr aus dem Gilettäschli ziehen –, »aber ich habe noch etwas Zeit. Wir können dann die zu unternehmenden Schritte festlegen. Wenn ich mich Ihres Beistandes versichert habe, werde ich beruhigt sein… Denn das Herz eines Vaters… Ah, guete Tag, Frau Doktor!« Der Herr Oberst schien plötzlich die Anwesenheit Frau Laduners bemerkt zu haben. Er verbeugte sich, und die Verbeugung war steif. Frau Laduner nickte schweigend.
    »Also, wie gesagt, Herr Wachtmeister, wollen Sie mitkommen?« Pause.
    Studer blickte auf Frau Laduner, die ihren Zwicker aufgesetzt hatte und den Wachtmeister gleichfalls anblickte; sie kniff ein wenig die Lider zusammen, und die Haut an der Nasenwurzel war gerunzelt…
    »Plaisir d'amour ne dure qu'un instant…«
    … Sie hatte eine schöne Altstimme, die Frau Laduner, und sie hielt zu ihrem Manne…
    »Nun?« fragte der Oberst.
    »Ich glaube, es wäre opportun«, sagte Studer, »wenn der den Fall behandelnde Arzt bei unserer Besprechung zugegen wäre. Falls er es als wünschenswert erachtet, daß der Herr Oberst vorläufig den Aufenthalt seines Sohnes nicht erfährt, so…« Handbewegung: ›dann kann man nichts machen…‹
    »Opportun? Solch eine Frechheit!« klang es entrüstet in tiefem Baß. Frau Laduner lächelte, und das Lächeln stand ihr so gut, daß Studer am liebsten die Hand der Frau Doktor zwischen seine Hände genommen und getätschelt hätte – zur Beruhigung gewissermaßen… Aber er tat dies nicht, sondern sagte trocken:
    »Bitte, wenn Sie so gut sein wollen…« und machte eine einladende Bewegung nach der offenen Tür des Arbeitszimmers… Oberst Caplaun zuckte mit den Schultern. Er trat ins Nebenzimmer, Studer folgte ihm. Dr. Laduner saß auf der Kante des flachen Schreibtisches. Gegen die grelle Weiße des Fensters war seine Silhouette schmal.
    Er stand auf, deutete auf zwei Lehnstühle und setzte sich dann auf das Ruhebett.
    Studers Blicke wanderten zwischen den beiden Männern hin und her.
    Welcher Gegensatz!
    Der eine in hellem Flanellanzug, hatte das linke Bein über die gefalteten Hände geschlagen, die auf dem Schenkel des rechten ruhten. Kornblumenblau war der lasche Knoten des Selbstbinders zwischen den Spitzen des ungestärkten Hemdkragens. Der andere lag zurückgelehnt in seinem Lehnstuhl, hatte die behaarten Hände auf die Armstützen gelegt und den Kopf Studer zugewandt; so sah man den hohen steifen Umlegkragen, in dem eine schwarze, kleine Masche steckte. Er trug einen dunklen Schwalbenschwanz, dunkle Hosen ohne Bügelfalte und ohne Umschlag über den hohen schwarzen Schnürschuhen… Eine Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Direktor war unverkennbar.
    Der Herr Oberst wandte sich ausschließlich an den Wachtmeister:
    »Wenn man, wie ich, auf ein Leben eiserner Pflichterfüllung im Dienste des Gemeinwohls zurückblicken kann, wenn man, wie ich, mit ruhigem Gewissen sagen kann, daß man für seinen einzigen Sohn die schwersten Opfer gebracht hat, um ihn auf den rechten Weg zu geleiten, wenn man, wie ich, in Ehren weiß geworden ist und es erleben

Weitere Kostenlose Bücher