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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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meinem Rücken, hinter dem Rücken des Gilgen… Dann wurden die andern Pfleger der Abteilung vorgeladen und dann wurde Gilgens Schaft erlesen… Es fanden sich noch ein Paar Unterhosen, die ebenfalls mit dem Namen eines Patienten gezeichnet waren… Nun wurde Gilgen vor den Direktor geladen… Peinliches Verhör… Ihr habt den Gilgen gekannt; er hat mir auch erzählt, gestern abend, daß er mit euch gesprochen hat, vorgestern nachmittag… Er war verwirrt… Ich bin sicher, er hat weder die Schuhe genommen, noch die Unterhose… Die Unterhose konnte in der Wäsche verwechselt worden sein, und die Schuhe? Ich habe immer den Verdacht gehabt, man hat sie ihm hingestellt, und am Morgen, wenn man zur Feldarbeit geht, ist man pressiert, da schaut man nicht erst lange… Aber Gilgen konnte sich nicht verteidigen… Er schwieg…«
    »Ja«, sagte Studer seufzend, »schweigen konnte er…«
    »Und dann müßt ihr bedenken: seine Frau krank, Schulden, Sorgen, seine Kinder bei fremden Leuten… Es gibt doch viel Gemeinheit auf der Welt… Der kleine Gilgen hatte niemandem etwas getan… Daß er mit der Blasmusik nicht einverstanden war, das konnte man ihm doch nicht übelnehmen… Aber man nahm es ihm übel… Man ging ihn verrätschen… Das Protokoll wurde vom Direktor drei Tage vor der ›Sichlete‹ aufgenommen… Er wollte es an die Aufsichtskommission schicken und die Entlassung Gilgens beantragen…
    Wenn die andere Partei ihre Spione hat, so habe ich auch die meinen… Am Abend erfuhr ich von der Sache. Gegen sechs Uhr. Ich darf daheim schlafen… Diese Nacht bin ich in der Anstalt geblieben, ich bin von halb sieben bis elf Uhr herumgelaufen, von einer Abteilung in die andere… Ich habe geredet… Wir müssen zusammenhalten, habe ich gesagt, es kann jedem von uns das gleiche passieren, denkt doch, es geht um unsere Freiheit… Die Leute blieben taub. Hatten Ausreden. Am nächsten Tag machte ich weiter… Ich ging schärfer vor. – Wenn der Gilgen entlassen wird, sagte ich, so proklamieren wir den Streik… Das war eine Dummheit, wenn ihr wollt… Denn der ›Sumpf‹, der ›Sumpf‹ wollte nicht mitmachen… Die Frösche im Sumpf sind schreckhaft, sie verkriechen sich im Schlamm, wenn einer am Ufer vorübergeht, und erst, wenn es wieder still geworden ist, dann quaken sie… Jetzt, nachdem der Direktor tot ist, quaken die Frösche sehr laut… Sie wissen, unter dem Dr. Laduner wird andere Luft wehen…
    So kam der Tag vor der Sichlete heran… Ich hatte erfahren, daß der Direktor von meinem Streikprojekt wußte… Es konnte auch mir den Kragen kosten, aber ich hatte keine Angst. Ich konnte immer wieder Arbeit finden, im Spital hatten sie mich ungern gehen lassen… Mit dem Gilgen war es etwas anderes… Ich hab' das Telephon abgenommen an jenem Abend und den Direktor gerufen…«
    Studer saß vorgeneigt, die Unterarme auf den Schenkeln. Jetzt hob er den Kopf:
    »Eine Frage, Jutzeler, habt ihr die Stimme im Telephon nicht erkannt?«
    Pause, lange Pause. Jutzeler runzelte die Stirn. Dann sprach er weiter, so, als habe der Wachtmeister überhaupt keine Frage gestellt…
    »Als der Direktor vom Telephon zurückkam, hielt ich ihn an. Ich müsse ihn heut abend noch sprechen, sagte ich. Er sah mich spöttisch an: ›Pressiert's auf einmal?‹ – Ich blieb ruhig und sagte nur ›Ja‹. Dann, meinte er, solle ich um halb eins vor dem Büro warten. Er ließ mich stehen.
    Ich habe gewartet, nicht lange. Dann kam er. Wir gingen ins Büro. Ich verlangte die Protokolle zu sehen, er lachte mich aus. Da hab' ich ausgepackt und gedroht. Ich werde ihn in die Zeitung bringen, hab' ich gesagt, es sei eine Sauerei, wie er mit dem Pflegepersonal umgehe! Ich hab' ihm seine Liebeleien vorgehalten… Da hat er auch angefangen zu brüllen, er werde mir schon das Handwerk legen, er werde mich auf die Schwarze Liste setzen lassen, ich sei entlassen, und er werde schon dafür sorgen, daß ich keine Arbeit mehr bekäme. Ich sprach immer nur von den Protokollen… Schließlich sei die Sache mit Gilgen auf dem B passiert, wo ich Abteiliger sei, ich hätte das Recht, Einblick zu verlangen in die Aussagen. Das Ganze sei gegen mich gerichtet, aber ich wisse, daß Dr. Laduner auf meiner Seite stehe… Das hätte ich nicht sagen sollen, denn da hakte er ein… Mit dem Dr. Laduner, sagte er, habe er auch noch eine Rechnung zu begleichen, ob ich wisse, wieviel Patienten in den letzten Tagen auf dem U 1 gestorben seien? Er habe sich eine Liste

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