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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Laduner nicht immer gedeckt hätte, ich wäre sicher schon lange geflogen… So habe ich eine Abteilung übernehmen müssen… Ich trage die Verantwortung für alles, was im B passiert, denn der Oberpfleger Weyrauch…«
    »Hält sich Zeitschriften über Nacktkultur…«
    »Exakt, Wachtmeister…« und Jutzeler lächelte schwach. »Ich hab' dann doch ein paar Pfleger zusammenbekommen, wir haben Anschluß gesucht mit den organisierten Pflegern aus den andern Anstalten… Aber die Stündeler haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht… Die Stündeler und der Maschinenmeister… Ihr müßt euch vorstellen, Wachtmeister, es sind nicht nur zwei große Gruppen in solch einer Anstalt: die Stündeler und die Organisierten… Zwischen beiden pendelt der größere Haufen hin und her… Kennen Sie die Französische Revolution?«
    »Wenig…«
    »Zwischen den beiden extremen Parteien«, erklärte Jutzeler, und er sprach schriftdeutsch, aber am singenden Tonfall erkannte man noch immer den Oberländer… »Zwischen der Rechten und der äußersten Linken, dem ›Berg‹, lag das Zentrum – der Sumpf, sagte man damals, ›le marais‹… Das waren Leute, die leben wollten, verdienen, es wieder gut haben… Sie haben den Ausschlag gegeben… Wir haben auch eine Sumpfpartei… Das sind die Leute, die zufrieden sind, wenn andere ihnen die Lohnerhöhung verschafft haben, die Geld auf der Sparkasse haben, die um ihre Stelle bangen…«
    »Bohnenblust…« sagte der Wachtmeister leise.
    »Unter andern… Die gaben den Ausschlag. Wir traten in den Staatsangestelltenverband ein… Und die Stündeler in die Evangelische Arbeiterpartei… Nun ja, der Direktor war zufrieden; Dr. Laduner, zu dem ich nach der Sitzung ging, zuckte die Achseln… Es sei halt nichts zu machen… In dieser Krisenzeit… Mich haben die andern nie offen angegriffen, aber die ganze Hetze gegen den Gilgen war eigentlich gegen mich gerichtet…«
    Jutzeler blickte auf den Toten. Der kleine Gilgen schien zu lächeln…
    »Dr. Laduner mochte den Gilgen gern… Das wußten die andern. Hier auf der Abteilung hab' ich sonst gute Leute, fast alles junge Pfleger, aber ich muß immer hinter ihnen her sein… Gilgen war der Älteste. Ich nahm ihn als Stellvertreter. Das war ein großer Fehler… Gilgen war tüchtig, aber er verstand nichts von Disziplin… Und schließlich, auf einer Abteilung muß Ordnung sein. Besonders seit Dr. Laduner die Arbeitstherapie eingeführt hat, ist es nicht wie früher… Wir müssen uns um die Patienten kümmern, sie beschäftigen, auch in der Freizeit, sie sollen lesen, sie sollen spielen, sie sollen nicht wieder versinken, man soll sie entlassen können…«
    Studer wunderte sich. Ein einfacher Mann, er war Verdingbub gewesen, er sprach ruhig, überlegt… Ein einfacher Mann, aber er wußte, was er wollte.
    »Ich hab' dem Gilgen Vorwürfe machen müssen. Alle vierzehn Tage habe ich einen freien Tag, in der Woche dazwischen einen halben Tag… Im Jahr vierzehn Tage Ferien… Wenn ich zurückkam, war alles in Unordnung… Der Gilgen verstand nichts vom Befehlen… Wie alle schüchternen Leute, war er entweder zu grob oder zu weich… Die andern begannen ihn zu hassen…
    Es wird viel geklatscht in solch einer Anstalt… Ich habe mich nie daran beteiligt, aber ihr könnt euch das vorstellen, Wachtmeister, ihr seid ja in einem ähnlichen Betrieb… Und man kann nicht genau sagen, wo Matto aufhört, zu regieren – wie Schül sagt… Item, die jungen Pfleger liefen zum Knuchel auf dem K, dem Dirigenten der Blasmusik, und beklagten sich über Gilgen… Vielleicht hatte er da…« Jutzeler klopfte auf den roten Bettüberwurf, unter dem der Tote lag, »wirklich nicht ganz korrekt gehandelt. Der Knuchel riet ihnen, den Gilgen zu beobachten… Man wußte allgemein, denn man lebt ja hier in einem Glashaus, daß es dem Gilgen schlecht ging… Man ertappte ihn darauf, daß er einmal zur Feldarbeit ein Paar gebrauchte Schuhe trug, die innen mit dem Namen eines Patienten gezeichnet waren… Der junge Pfleger erzählte das dem Knuchel, der Knuchel ging zum Abteiliger des K, auch ein Gesinnungsgenosse, Anabaptist oder Sabbatist oder evangelischer Gemeinschaftler – ich kenn mich nicht so genau aus bei diesen Sekten – und der Abteiliger vom K sprang zum Direktor… ich wußte von der ganzen Sache nichts… Der Herr Direktor nahm ein Protokoll auf mit dem Abteiliger vom K, mit dem Knuchel, mit dem jungen Pfleger von meiner Abteilung… Alles hinter

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