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Matto regiert

Matto regiert

Titel: Matto regiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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auf einmal.
    Aber Studer folgte nicht. Er blieb auf dem Vorplatz stehen und starrte den Mann an, den Dr. Laduner Caplaun genannt hatte. Caplaun? Caplaun hatte doch sein alter Feind geheißen, der Oberst, der an jener Schiebung in der Bankaffäre beteiligt gewesen war, jener Bankaffäre, die den damaligen Kommissar Studer von der Stadtpolizei den Kragen gekostet hatte… Es gab nicht viele Caplaune in der Schweiz, es war ein seltener Name…
    Nun, der Herr Oberst war es auf alle Fälle nicht; der Mann, der in Dr. Laduners Wohnung trat und sich in ein Zimmer schlich, so, als wisse er Bescheid, war jung… Jung, mager, blond, mit einer hohlen Brust… Bleich dazu, mit weitaufgerissenen Augen. Caplaun?…
    Studer holte Dr. Laduner im Parterre ein. Der Arzt lief ungeduldig hin und her.
    »Herr Doktor«, sagte Studer, »ihr habt den jungen Burschen, der zu euch hineingegangen ist, Caplaun genannt; ist er verwandt… ?«
    »Mit dem Herrn Obersten, der Ihnen ein Bein gestellt hat, damals? Ja. Der Herr Oberst ist sein Vater. Und der junge Caplaun ist bei mir in Behandlung. Privatpatient. In der Analyse. Ein typischer Fall von Angstneurose. Kein Wunder, bei dem Vater! Und übrigens säuft der Herbert Caplaun. Ja, Herbert heißt er mit Vornamen. Sie können ihn ja noch in Ihr Büchlein notieren…«
    Wieder überhörte Studer geflissentlich die Ironie. Er fragte mit seiner treuherzigsten Miene:
    »Eine Angstneurose? Was ist das, Herr Doktor?«
    »Herrgott! Ich kann doch hier kein Kolleg über Neurosenlehre lesen. Später will ich es Ihnen erklären… Dort ist das Direktionsbüro. Daneben das Ärztezimmer. Ich werde jetzt eine Stunde beschäftigt sein; wenn Sie etwas brauchen sollten, so wenden Sie sich an den Portier. Übrigens können Sie sich notieren, daß er Dreyer heißt.«
    Und Studer hörte noch das Zuschlagen einer Türe.

Der Tatort und der Festsaal
    Der Busch vor dem Fenster trug weiße Beeren, die an Wachskugeln erinnerten. Auf dem Fenstersims, zwischen den Glassplittern, tanzten zwei Spatzen. Sie benahmen sich wie Stehaufmännchen. In kurzen Zwischenräumen tauchten ihre Köpfe über dem untern Rand des Holzrahmens auf, verschwanden, tauchten wieder auf. Als Studer den umgefallenen Bürostuhl wieder auf die Beine stellte, flogen sie fort…
    Zuerst setzte er sich, zog noch einmal sein Wachstuchbüchlein hervor und schrieb in seiner kleinen Schrift, die ein wenig an Griechisch erinnerte:
    ›Caplaun Herbert, Sohn des Obersten, Angstneurose, Patient des Dr. Laduner.‹
    Dann lehnte er sich befriedigt zurück und betrachtete die Verwüstung.
    Blut am Boden, das stimmte. Aber nur wenig: einzelne Tropfen, die auf dem glänzenden Parkett zu dunklen Plättchen eingetrocknet waren. Sie liefen in einer Linie von der zerbrochenen Fensterscheibe zur Tür. Vielleicht war einer mit der Faust durch die Scheibe gefahren und hatte sich verwundet.
    Das kleine Tischchen, links neben dem Fenster, war wohl für die Schreibmaschine bestimmt, während sich der Schreibtisch, groß und breit, verschnörkelt, in der Ecke rechts vom Fenster breitmachte. Studer stand auf und hob die Schreibmaschine auf. Fingerabdrücke brauchte man hier wohl nicht zu suchen. Und vorläufig wußte man ja noch gar nicht, ob ein Mord passiert war oder ob sich der alte Direktor auf eine kleine Erholungsreise begeben hatte. In letzterem Falle hätte er zwar die Ärzteschaft avisiert, aber alte Herren haben manchmal ihre Mucken…
    Über dem Schreibtisch hing ein Gruppenbild. Da stand inmitten von jungen Männern und Mädchen in Schwesterntracht ein alter Herr, der auf dem Kopfe einen breitrandigen schwarzen Hut trug. Ein lockiger, grauer Bart wucherte ihm aus Kinn und Wangen, und eine Stahlbrille saß auf seiner Nase.
    In weißen Buchstaben stand unter der Photographie: »Unserem verehrten Herrn Direktor zum Andenken an den ersten Kurs.« Ja, ja, die jungen Männer sahen alle sehr brav aus, sie trugen schwarze Anzüge und hohe steife Kragen, und ihre Krawatten saßen ein wenig schief.
    »Unserem verehrten Direktor…« Kein Datum? Doch. Inder Ecke unten: 18. April 1927.
    Unter dem Bild, auf einem grünen Löschblatt, lag ein in der Mitte zusammengefalteter Brief. Studer las die ersten Zeilen: »… bitten wir Sie dringlichst, die schon seit zwei Monaten fällige Expertise über den Geisteszustand des…«
    Hm! Ein bequemer Herr, der Direktor Borstli mit seiner Pelerine und seinem breitrandigen Hut… Wetten, daß er einen Schwalbenschwanz trug!… Gewonnen! Auf

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