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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ersfeld
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heute Abend aufbacken und mit Heinz verzehren würde. Irgendwie ließ sie der Gedanke mit der Visitenkarte nicht mehr los, obwohl er absurd war.
    Er war noch immer in einem schlechten Zustand, sah mitgenommen aus und befand sich in einer Art Depression, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte. Sein Schmerz um Veras Tod saß tief. Er lächelte schwach, als sie mit der dampfenden Rolle zu ihm kam, Geschirr deckte und sie für beide anschnitt.
    »Auch mir geht Veras Tod furchtbar nahe, aber du musst etwas essen, sonst gehst du vor die Hunde«; sie wunderte sich, wie präzise sie Gilas Ton getroffen hatte. Lustlos aß er ein paar Bissen. Sie erzählte ihm von Pauls überraschender Freilassung, er freute sich mit ihr, nahm es aber in depressiver Gleichgültigkeit zur Kenntnis.
    »Hast du eigentlich noch seine Visitenkarte?«, fragte sie beiläufig, während sie das heiße Stück im Mund von einer Seite zur anderen drehte, um es abzukühlen, »entschuldige, ich meine für den Fall, dass du mich erreichen willst, wenn ich bei ihm bin. Seine private Telefonnummer steht darauf.«
    Mattuschke nickte stumm, erhob sich und öffnete wie geistesabwesend eine Schublade, schloss sie wieder, zog eine andere auf und hielt ihr die Karte hin.
    »Er hat sie mir damals bei Rudinskys gegeben, ich lasse sie auf dem Schrank liegen, damit ich dich dort notfalls erreichen kann.«
    Louise nickte erleichtert, wie war sie nur auf den Gedanken gekommen, ihn zu verdächtigen, ihren Wohltäter. Sie schämte sich, eine solche Möglichkeit überhaupt erwogen zu haben. Wie viel Dank schuldete sie ihm, und ihr fiel nichts Besseres ein, als ihm, der ebenso wie sie des Trosts bedurfte, eine solche Tat zuzutrauen. Ihre Nerven waren völlig überreizt. Mattuschke, den Veras Tod erheblich mitnahm und ihn in eine ähnliche Gemütslage versetzte, wie nach Martines Tod, schaute trotz seines Zustands hinter die Maske von Louises belangloser Frage. Der üble Widersacher war zurückgekehrt und hatte ihr sicher den Floh ins Ohr gesetzt. Zum ersten Mal verdächtigte sie ihn, eine sonderbare Erkenntnis, aber er wäre nicht Mattuschke, der die Menschen durchschaut und ihre Reaktionen vorausberechnet, wenn er sich von solchen Kleinigkeiten überrumpeln ließe. Schließlich hatte er nicht umsonst die Fingerfertigkeit der Zauberei trainiert, mit der er sich damals mühelos weitere Karten sicherte. Ein kleines Stolpern und kurzes Festhalten an Ganthner hatte genügt. Ein schales Gefühl des Misstrauens nistete sich in sein Inneres ein, wie ein spitzer Stachel. Er würde sie stärker an die Leine legen müssen.
    Natürlich war es eine der schwersten und schmerzlichsten Entscheidungen seines Lebens, Vera, die Vertraute, die er sehr mochte, zu opfern, genauso wie damals Martine, aber es gab grauenvolle Lebenssituationen, die solche Entschlüsse von ihm forderten, so leidvoll sie auch waren. Als er merkte, wie sehr sich Vera und Louise anfreundeten, und sie nicht mehr bereit war, seinem Drängen zu entsprechen, setzte er Amina auf sie an und ließ auch Louise beschatten. Keinen Schritt taten beide, ohne dass er es erfuhr. Als Amina ihm auftragsgemäß von Veras Absicht berichtete, Louise über den Spiegel zu informieren, war sie verloren. Vor die Wahl gestellt, sie aufzugeben oder Louise, das Glück seiner Augen, die Quelle seiner Lust, hatte er keine andere Möglichkeit. Seine Leute hatten sauber gearbeitet, keine Gewalteinwirkung, ein tragischer Unfall, allerdings mit Fragezeichen. Warum musste es so kommen? Er zermarterte sich den Kopf. Sie war immer loyal, professionell, er konnte ihr blind vertrauen, nie hatte sie ihn verraten, kannte seine Schwächen und Wünsche und dann die Sabotage. Sie fehlte ihm, die beste Freundin, der Verlust schmerzte ebenso stark wie ihr geplanter Verrat. Er vermisste sie unendlich.
    Was ihn wütend machte, war dieser anmaßende Widerling von Paul, der katzenartig sieben Leben zu besitzen schien. Er hasste den Mann, der es tatsächlich wagte, den wertvollsten Schatz vor seinen Augen zu beschmutzen. Wie konnte man ihn freilassen bei diesen Beweisen und ohne, dass ein anderer Täter gefunden war? Sein Groll war peinigend wie der Schmerz. »Vera, wie konntest du mir das nur antun?«, schluchzte er. Wie gut, dass ihn niemand sehen konnte.

Sie war etwas früher an der Säule im Stadtpark und hielt Ausschau nach Amina, die noch nicht zu sehen war. Ein markantes Hüsteln hinter ihr zwang sie dazu, sich umzudrehen. Mattuschke, blass im Gesicht,

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