Mattuschkes Versuchung
steuerte auf sie zu.
»Welche Überraschung, dich hier zu treffen Louise. Wartest du auf jemanden?«
In diesem Augenblick sah sie Amina im Hintergrund auftauchen, die stutzte und dann wieder verschwand.
»Ich warte auf Paul«, sagte sie vorsichtig, »aber er scheint sich bei seinen Einkäufen verschätzt zu haben, länger werde ich wohl nicht mehr bleiben.« War das ein Zufall, dass er gerade hier aufkreuzte, und warum verschwand Amina sofort, als sie sah, dass sie nicht alleine war. Sicher hatte sie ihn erkannt. Was hatte es mit dieser Sache auf sich? Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, Amina tauchte nicht wieder auf.
»Gehen wir drüben einen Kaffee trinken?«, schlug er vor, »von da kannst du in den Park sehen und zu ihm laufen, wenn er doch noch kommen sollte.« Louise war einverstanden. Die raue, heisere Stimme von Joe Cocker knisterte aus entfernten Lautsprecherboxen. Man glaubte, das Klirren der Eiswürfel in seinem Whiskyglas dabei zu hören.
Als sie zu Paul kam, stand er im Bad und rasierte sich. »Ich habe extra bis zum Mittag gewartet, um dir heute Abend keine Verletzungen zuzufügen. Was unternehmen wir?«
Bevor sie antworten konnte, machte sich ihr Handy vibrierend bemerkbar. Gila war am Apparat. »Habt ihr für das Wochenende schon etwas vor? Wir fahren zu Siegfrieds Eltern, sie wohnen in einem riesigen Bauernhaus und würden sich freuen, wenn ihr mitkommt. Falls ihr Pauls Rückkehr nicht zwei Tage im Bett feiern wollt, was ich verstehen könnte, wäre es sicher eine Abwechslung, die euch nach den Turbulenzen gut täte. Und wir würden zu dritt auf ihn aufpassen. Alleine kann man ihn nach den schlimmen Ereignissen ja nicht mehr lassen«, sagte sie scherzend.
»Danke Gila, bleib bitte am Apparat.« Sie besprach sich kurz mit Paul, der sofort einverstanden war, hier erinnerte ihn alles an die letzten schlimmen Wochen.
»Wenn wir nicht gerade mit dem Zug fahren«, meinte er sarkastisch.
»Gila, wir sind dabei, wenn wir nicht auf den Zug warten müssen, sagt Paul.«
Gila kicherte: »Entschuldige, es ist wirklich nicht zum Lachen. Wir holen euch in einer Stunde ab.«
Louise hatte sich das Wochenende zwar anders vorgestellt, aber je weiter sie sich von Ulm entfernten, desto mehr rückten auch die bedrohlichen Ereignisse von ihr ab, und der beengende Ring um ihre Brust löste sich allmählich. Sie versuchte noch, Amina zu erreichen, sie hatte den Anrufbeantworter eingeschaltet, war aber unschlüssig, ob sie darauf sprechen sollte, wer weiß, wer ihn noch abhörte. Also sagte sie nichts, sie würde es nach ihrer Rückkehr wieder versuchen.
Das alte Bauernhaus, mustergültig renoviert und mit modernen Bädern ausgestattet, war ein Traum. Siegfrieds Vater, der sie spontan an einen Filmschauspieler erinnerte, dessen Namen ihr nicht einfiel, war Architekt und hatte jahrelange Arbeit und Liebe in das alte Kleinod gesteckt. Die Eltern empfingen sie wie langjährige Freunde und tischten auf, als sei soeben eine Hungersnot beendet. Der Hausherr bot zum Abschluss einen selbst gebrannten Schnaps an, den sie ablehnen wollten, was er nicht gelten ließ. »Ein Gesunder hält es aus, ’nem Kranken schad’s nix.« Sie stürzten das Feuerwasser mutig hinunter.
Offenbar hatte Siegfried sie instruiert, das Thema Haft oder Veras Tod nicht anzuschneiden, was wohltuend war und ihnen etwas Abstand von den bedrückenden Vorfällen gönnte. Sie unternahmen eine kleine Wanderung in der sanft schönen Landschaft, erlebten einen gemütlichen Abend am prasselnden Kamin und zogen sich in die heimeligen Schlafstuben aus massivem Holz zurück.
»Übrigens, Mattuschke hat deine Visitenkarte noch, ich habe ihn danach gefragt und er kramte sie aus dem Schrank.«
»Dann können wir ihn ja aus der Liste der Verdächtigen streichen.« Paul wirkte enttäuscht.
Eine Weile lagen sie still, ohne etwas zu sagen. »Werden wir immer zusammenbleiben?«, fragte sie Paul, eng an ihn gekuschelt.
»Unser ganzes Leben lang, wenn du es willst«, sagte er ernst, »nach dir möchte ich keine andere Frau mehr kennenlernen.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Louise schläfrig.
»Das will ich doch sehr hoffen«, grinste er, »auch noch Konkurrenz vom anderen Geschlecht, das fehlte gerade.« Sie verstand nicht mehr, was er sagte.
Als sie erwachte, war es schon taghell, sie hatte das Gefühl, vierundzwanzig Stunden durchgeschlafen zu haben und fühlte sich frisch wie Quellwasser. Die anderen waren schon beim Frühstück. Der Blick aus
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