Mauer, Jeans und Prager Frühling

regierten nicht mehr Gesichter, sondern wieder Masken. Es begannen bleierne Jahre. Die Hoffnung blieb, aber wir wußten, daß wir einen langen Atem brauchen würden.
    Jan Palach, ein Philosophiestudent, verbrannte sich auf dem Wenzelsplatz. Er opferte sein Leben dem Protest.
    Eduard Goldstücker, befragt, warum die Reformbestrebungen im Jahre 1968 scheiterten, sagte: »Im Innern gab es alle Voraussetzungen, um die Demokratisierung siegreich zu Ende zu führen. Wir waren auch überzeugt, daß unsere Politik im innersten Interesse des gesamten Sozialismus liegen muß. Aber wir hatten vergessen, daß die Sowjetführung nicht an Sozialismus, sondern an Imperialismus interessiert war.«
    Parteibürokraten haben eine verheißungsvolle Alternative verhindert und in den Jahren danach viele Menschen, die sich für deren Verwirklichung engagiert hätten, jeglichen Einflusses beraubt oder außer Landes gejagt.
    Brecht konnte nicht ahnen, daß die Tschechoslowakei, daß Prag einmal so eine besondere Rolle im Abschütteln von verbohrter Ideologie spielen würde. Nach all dem, was 1968 geschah, liest sich sein Text wie eine Weissagung:
    Am Grunde der Moldau wandern die Steine.
    Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
    Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
    Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.
    Und so war es auch. Nur daß die Nacht eben nach jenem August 1968 noch 21 Jahre dauerte, genau so viele Jahre, wie früher ein Mensch brauchte, um volljährig zu werden.
    Vom Prager Frühling zum Leipziger Herbst.
    Aber, ganz ehrlich: Nacht hin und her – es waren auch eine ganze Menge sehr schöner Tage dabei!

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Dank
    Meine Frau Stefanie habe ich in den vergangenen Monaten reichlich mit Fragen behelligt: »Sag mal, weißt du noch …?« Sie hat mir mit großer Geduld geantwortet. Dafür sei ihr ebenso Dank gesagt wie allen Bekannten und Freunden, die mit mir in Gesprächen die Erinnerungen an die sechziger Jahre aufgefrischt haben. Ein Dank auch an Gabriele Steinbach, die bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in der »Runden Ecke« so manches interessante Dokument für mein Buchprojekt fand, weiterhin an Frau Enderlein vom Sächsischen Staatsarchiv und Uwe Schwabe vom Zeitgeschichtlichen Forum.
    Cornelia Junge von der Kustodie der Universität Leipzig und Herrn Kaufmann vom Stadtgeschichtlichen Museum sei für die Bereitstellung von Fotos gedankt.
    Besonderen Dank an Nortrud Lippold für die Überlassung der Texte von Lutz Lippold und an Silvia Dzubas für ihre Aufzeichnungen über ihre aufregende Zeit in Prag nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten.

Informationen zum Buch
    »Haste schon gehört, die bauen ’ne Mauer!« Ungläubig reagiert Bernd-Lutz Lange, als ihm die Nachricht am 13. August 1961 mitgeteilt wird. Doch die Mauer blieb, und die Menschen konnten sich ihrer allenfalls mit Humor erwehren. Mit viel Wärme und ohne Nostalgie erzählt Lange vom Ostalltag in jenen Jahren und von Hoffnungen, die der Prager Frühling weckte. Plötzlich fühlt man sich zurückversetzt in die 60er, als die Hits der Beatles und der Stones begeisterten, als Ernst Bloch und Hans Mayer in Leipzig lehrten, als sich im legendären Café Corso Künstler, Wissenschaftler und Studenten trafen und als das 11. Plenum die gesamte Kinoproduktion eines Jahres vom Spielplan verbannte.

Informationen zum Autor
    B ERND -L UTZ L ANGE , geboren 1944 in Ebersbach/Sa., wuchs in Zwickau auf. Nach einer Gärtner- und Buchhändlerlehre studierte er an der Fachschule für Buchhandel in Leipzig. 1966 war er Gründungsmitglied des Kabaretts »academixer«, von 1988 bis 2004 trat er im Duo mit Gunter Böhnke auf, seitdem arbeitet er vorwiegend mit der Sängerin und Kabarettistin Katrin Weber. Von Bernd-Lutz Lange liegt inzwischen rund ein Dutzend Bücher vor. Im Aufbau Verlag sind außerdem »Dämmerschoppen«, »Magermilch und lange Strümpfe«, »Ratloser Übergang«, »Davidstern und Weihnachtsbaum« sowie »Das Leben ist ein Purzelbaum« lieferbar.
    »Mauer, Jeans und Prager Frühling« und »Ratloser Übergang« sind als Hörbücher erschienen.