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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Polizisten stürmten auf uns zu. Ich weiß nicht mehr, was sie sagten, aber sie schoben uns ziemlich unsanft in das Streifenauto, und mir war schnell klar, daß mein Traum sich erfüllt hatte.
    »Beide Personen leisteten bei der Zuführung keinen Widerstand und kamen den Aufforderungen unsererseits nach. Ich konnte bei ihnen keine Alkoholbeeinflussung feststellen.«
    Über Funk hörte ich im Wagen die Anfrage, ob die beiden Verstärkung brauchten. Da drehte sich der eine grinsend zu uns um und meinte: »Äh wo, die fress morr alleene.«
    In mir wuchs die Angst, während ich wahrnahm, daß die Fahrt zur Dimitroffstraße ging. Ich dachte das erste Mal an meine Mutter. O weh, wenn die wüßte, was jetzt mit ihrem Sohn passiert! Stahltüren gingen auf, und wir rollten ins Volkspolizei-Kreisamt Leipzig. Waren abgeschnitten von dieser Welt.
    Wir wurden in einen Vorraum geführt und mußten uns in einigem Abstand an eine Wand stellen. Dann wurde ich in ein Zimmer gebracht.
    »Alle Taschen leeren. Alles auf den Tisch.«
    Danach lautete der Befehl: »Ausziehen!«
    Als ich in der Unterhose vor dem Polizisten stand, schaute ich ihn fragend an, er reagierte mit einem Anflug von Milde: »Gut, wieder anziehen.«
    Kein feindliches Flugblatt klebte mir auf der Haut. Da lagen nun meine mitgeführten Habseligkeiten. Ich weiß nur noch, daß ich vermutlich meinen Ausweis, Zigaretten undetwas Geld bei mir hatte, aber zum Glück gibt es ein »Leibesvisitationsprotokoll« über den »Zugeführten«. Genau 17 Gegenstände hatte ich in meinen Taschen bzw. in meiner Aktentasche.
    Meine Geldbörse enthielt immerhin 32,01 MDN . Für die damaligen Zeiten beachtlich. Ein Taschenbuch hatte ich dabei, »Die Ungeliebte«. Das hätte eine Provokation sein können, wenn das die Genossen auf die DDR bezogen hätten. Meine Mitgliedsbuchverlängerung für die FDJ führte ich auch mit! Das mußte doch eigentlich einen guten Eindruck hinterlassen. Kurioserweise hatte ich die Hausbrand-Grundkarte I bei mir. Unter diesem Begriff werden sich westdeutsche und jüngere Leser kaum etwas vorstellen können. Die Karte war nicht etwa ein Grund, um ein Haus anzuzünden, sondern die Kohlenkarte für die entsprechende Zuteilung von Brennstoffen. Zwei Stück Zigaretten Marke F 6 besaß ich noch und eine »angerissene Schachtel Streichhölzer«.
    Inzwischen hatten die Genossen hart gearbeitet. Zum einen in der Passage. Aus dem Protokoll vom »Aufsuchen des Ereignisortes von Oltn.d.K. Weigelt: »… Der Personenverkehr durch diese Passage, welcher auch zu dieser Zeit, z. B. durch heimgehende Besucher umliegender Nachtgaststätten usw., zu verzeichnen ist, war durch die Tatortsicherung (FStW) unterbunden … An der rechten Seite befindet sich eine Metalltür eines Verteilerkastens, welcher in die Wand eingelassen ist. Auf diese Tür ist mittels Wandtafelkreide das Wort ›Dubček‹ in Großbuchstaben (Druckschrift) angeschmiert. Die Höhe der Buchstaben beträgt am Wortanfang 14 cm und wird zum Wortende hin kleiner, bis 8 cm. Höhe über dem Boden rund 155 cm.
    Durch Ltn.d.K. Gürtler wurde der Text fotografisch gesichert und eine Übersichtsaufnahme angefertigt … Anschließend wurde die Schmiererei entfernt.«
    Die Genossen um Ltn.d.K. Riemann, die den Tatort am Thomaskirchhof untersuchten, gingen noch einen Schritt weiter: »Farbteilchen weißer Schulkreide von o. a. Tatschrift mittels Kunststoffschabers gesichert.
    Verpackung: Aluminiumschachtel.«
    In einer »Verfügung« stellt inzwischen Obltn.d.K. Löffler folgende zwei Fragen:
    »1. Ist die fotografisch gesicherte Tatschrift für eine vergleichende Untersuchung geeignet?
    2. Reicht die Menge der gesicherten Kreideteilchen von der Tatschrift für eine Vergleichsarbeit aus?«
    Wir wurden erneut ins Auto verfrachtet. Wohin ging es denn nun? Ich glaube nicht, daß wir uns trauten, miteinander zu reden. Vermutlich hatte man es uns auch verboten. Über den Bayrischen Platz fuhren wir in die Philipp-Rosenthal-Straße und hielten vor einem Gebäude der Universitätsklinik, dem sogenannten Roten Haus. In einem Raum wurde uns Blut abgenommen. »Was haben Sie denn gemacht?« Ich traute mich nicht, dem Arzt zu antworten, weil zwei Polizisten im Raum standen, die vermutlich gleich wieder gemeldet hätten: Er hat dem Arzt gesagt, daß er ›Dubček‹ an die Wand geschrieben hat. Deshalb antwortete ich: »Da fragen Sie am besten die Polizisten.« Darauf verzichtete er.
    Dann mußten mein Bekannter und ich, den Blick zu

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