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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hen Hermanns
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erzählte von meinem Breyvogel-Desaster.
    »Hat dir sicher mal ganz gut getan«, kommentierte Knodt herzlos.
    »Danke für dein Mitgefühl. Und was ist mit deinen Recherchen?«
    »Negativ. Die Jungs, die Ziegler entführt haben, kennt keiner. Ersttäter, wie man so schön sagt Hochbegabte Amateure, oder mehr Glück als Verstand. Ein paar Jungs aus dem Milieu wollten sich dranhängen, aber da war nichts dranzuhängen, nicht die leiseste Spur. Nothing.«
    Knodt öffnete ein silbernes Etui und fummelte eine Montechristo heraus. Meine Gier nach Tabak war glücklicherweise wieder abgeklungen. Renate, die Geschäftsführerin, eilte herbei, um dem Maître ein Streichholz zu reichen und uns zwei Grappas zu kredenzen.
    »Was ist denn mit der los?« fragte ich, als sie sich wieder huldvoll entfernt hatte, »nach zwei Jahren Haß und Verachtung auf einmal das?«
    »Sie hat einen neuen Analytiker. Um acht hat sie allerdings schon den ersten Rauswurf zelebriert. Ein Gast, der aussah wie Wolfgang Niedecken, und den Wolfgang Niedecken kann sie nun mal nicht ab, mußt du verstehen.«
    »Klar, verstehe ich. So wie ich den Herrn Dr. Breyvogel nicht mehr liebhabe. Könntest du vielleicht über den was rauskriegen? Ich meine, früher warst du doch mal ganz gut in solchen Dingen.«
    »Werd nicht ironisch. Mehr, als ich dir gesagt habe, war aus der Szene nicht rauszukriegen. Und die Geschichte, auf die du anspielst, war ein Ausnahmefall, das dürfte ja wohl klar sein.«
    Dieser Ausnahmefall hatte Knodt immerhin genug Geld eingebracht, um sein alternatives Stadtblatt aufzugeben, das >Basilikum< zu eröffnen und ins Immobiliengeschäft einzusteigen. Dafür war die Story, die er damals recherchiert hatte, niemals erschienen, und selbst mir hatte er sie nie erzählen wollen. Aber stolz war er noch immer darauf. Das war sein Schlag in die Fresse des Establishments gewesen. Er hatte da getroffen, wo es am meisten weh tut. Da, wo das wichtigste Organ sitzt, das Geld.
    »Und wie läuft’s bei dir jetzt weiter?« hörte ich Knodt hinter einer blauen Havannawolkenwand.
    »Mal sehen, was Frau Ziegler so treibt. Ziegler selbst hat irgendwie einen Knall, das kann ja durch die Entführung gekommen sein. Seine Tochter ist eine Magersüchtige, die fremden Detektiven die Zunge in den Hals steckt, wie ich gestern herausfand. Also darf man schon ganz gespannt auf die gnädige Frau sein. Aber was ist mit Breyvogel? Kannst du was rauskriegen oder nicht?«
    »Ich werd’s versuchen.«
    »Versuch’s nicht. Mach’s einfach.«
    Ich ging in den Toilettenvorraum, in dem ein Wandtelefon angebracht war, um mich für heute nacht bei Alwine einzuladen. Ich hob den Hörer ab, sah die Bescherung, hing ein und ging wütend zurück.
    »Sag mal«, schnauzte ich Knodt an, »es mußte natürlich unbedingt so ein scheiß Telefon mit Telefonkarte sein, was?«
    »Die Gäste mögen es lieber so«, sagte Knodt und schob mir eine Telefonkarte zu.
    Ich kann diesen digitalen Irrsinn nicht ausstehen. Telefonkarten. Und dann erst mal diese Typen mit ihren Laptops, die sie in Wirklichkeit nicht brauchen, weil sie so wenig Wesentliches im Kopf haben, daß selbst die Rückseite einer Briefmarke noch zu groß dafür wäre. Diese Typen mit ihren viereckigen Nazifressen, die nichts produzieren, sondern nur schachern, Firmen aufkaufen und zerstückeln, denen es egal ist, ob sie mit Immobilien, Schweinehälften oder Ölgemälden ihre BMWs finanzieren. Diese Typen, die alles wissen und von nichts eine Ahnung haben, die Leben mit Lifestyle verwechseln und einen silbernen Serviettenhalter an ihrer Designerkrawatte für den Gipfel der Kultur halten, die einen Zopf tragen, um auf ihre Kreativität hinzuweisen, und grundsätzlich von arroganten Schnepfen begleitet werden, die auf Paloma Picasso oder Madonna machen und deren einziges erotisches Rätsel in der Frage besteht, ob sie ihr Geld als Stylistinnen oder hochbezahlte Nutten verdienen. Es war höchste Zeit für eine taoistische Centering-Übung. Ich stellte mich breitbeinig vor das Telefongerät, hielt die Hände vor den Bauch, atmete dreimal tief durch die Nase das goldflimmernde Chi ein, stieß es durch den Mund wieder aus und sagte mir, daß ich ein Taoist sei und das Leben nicht so ernst nehmen sollte. Dann schob ich die verdammte Plastikkarte ein, wählte und gewann den ersten Preis. Alwine war zu Hause und freute sich auf meinen Besuch. Ich verabschiedete mich hastig von Knodt und rauschte ab. Knodt war ja ganz nett, und ich kannte ihn

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