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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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demgegenüber sich der Einzelne verpflichtet fühlte: «Denn dieser Gedanke war es, welcher der Lebensführung des Unternehmers ‹neuen Stils› den ethischen Unterbau und Halt gewährte.»
    Um diese Frage zu beantworten, erweiterte er seine Suche nach den gedanklichen und materiellen Zusammenhängen durch einen Begriff, der ihn bis zu seinem Lebensende nicht mehr zur Ruhe kommen ließ. Von Werner Sombart übernahm er die Hypothese, dass das Grundmotiv der modernen, kapitalistisch organisierten Wirtschaft ein «ökonomischer Rationalismus» sei. Weber weitete dieses Konzept erheblich aus und postulierte, dass die von ihm gesehene Entwicklung des «kapitalistischen Geistes» nur als Teilerscheinung in der Gesamtentwicklung des Rationalismus zu verstehen sei. Dabei komme der Protestantismus nur insoweit historisch in Betracht, als er etwa als «Vorfrucht» rein rationalistischer Lebensanschauungen eine Rolle gespielt habe. Indem Weber damit eine sehr viel umfassendere Sicht auf die Entwicklungsgeschichte entwickelte, musste er sich einer schwierigen Begriffsklärung stellen: «Der ‹Rationalismus› ist ein historischer Begriff, der eine Welt von Gegensätzen in sich schließt, und wir werden gerade zu untersuchen haben, wes Geistes Kind diejenige konkrete Form ‹rationalen› Denkens und Lebens war, aus welcher jener ‹Berufs›-Gedanke und jenes […] Sichhingeben an die Berufsarbeit erwachsen ist, welches einer der charakteristischen Bestandteile unserer kapitalistischen Kultur war und noch immer ist. Uns interessiert hier gerade die Herkunft jenes irrationalen Elements, welches in diesem wie in jedem ‹Berufs›-Begriff liegt.»
    Für Weber stand fest, dass eine religiös bedingte Vorstellung des «Berufs» – im Sinne von «Berufung» – ein «Produkt der Reformation» war: Erst durch diese wurden im Kontrast zur katholischen Auffassung der sittliche Akzent und die religiöse Prämie für die innerweltliche, beruflich geordnete Arbeit so mächtig gemacht. Webers Untersuchung dieses Gedankens bei Martin Luther führte zum Ergebnis, dass dessen Berufsbegriff noch traditionalistisch gebunden war, bei ihm hatte der Mensch seine jeweilige Tätigkeit als göttliche Fügung hinzunehmen, in die er sich «zu schicken» habe. Insofern war die lutherische Fassung des Berufs-Gedankens für Weber von jedenfalls nur «problematischer Tragweite für das, was wir suchen».
    Darum wandte Weber sich den anderen Reformationskirchen zu, und dass er vor allem dem Calvinismus die entscheidende Bedeutung zuschrieb, kann nicht mehr sonderlich überraschen, wenn man an die stetige Mahnung der von ebendieser religiösen Welt geprägten Mutter denkt, dass der Erstgeborene rastlos vor allem beruflichen Erfolg anstreben und sich nicht der lustvollen Trägheit und dem Lebensgenuss hingeben möge. Bei seiner Zuwendung zum Calvinismus und anderen protestantischen Sekten, insbesondere in England, betonte Weber nachdrücklich, dass man nicht erwarten dürfe, bei dieser Suche nach den Beziehungen zwischen der «altprotestantischen Ethik» und der Entwicklung des «kapitalistischen Geistes» in den Schriften von Calvin und des Calvinismus allgemein alle diese Maximen aufzufinden. Die Entwicklung dieses ganz anderen Denkens im Rahmen der Kulturwirkungen der Reformation seien ganz im Gegenteil eher «unvorhergesehene und geradezu ungewollte Folgen der Arbeit der Reformatoren», weit abliegend oder geradezu im Gegensatz stehend zu allem, was ihnen selbst vorschwebte.
    Das Ziel einer derartigen Untersuchung der unbeabsichtigten Folgen des Denkens und Tuns der Reformatoren sollte «einen Beitrag bilden zur Veranschaulichung der Art, in der überhaupt die ‹Ideen› in der Geschichte wirksam werden». Um jedoch die Begrenztheit der Forschungsabsicht präzise zu fassen und um alle von Missverständnissen und Unterstellungen ausgehende Kritik zu verhindern, bemühte sich Max Weber darum, seine Zielsetzung genauer zu bestimmen: Bei seinen Studien gehe es in keiner Weise um den Versuch, den Gedankengehalt der Reformation in irgendeinem Sinn, sei es sozialpolitisch, sei es religiös, zu werten. Seine Fragestellung beschäftige sich vielmehr mit Seiten der Reformation, welche dem eigentlich religiösen Bewusstsein als geradezu äußerlich erscheinen müssen: «Es soll ja lediglich unternommen werden, den Einschlag, welchen religiöse Motive in das Gewebe der Entwicklung unserer aus zahllosen historischen Einzelmotiven erwachsenen modernen spezifisch

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