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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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für den Lutheraner jene freundlichen und menschlichen Tröstungen gab, konnte der Calvinist nicht darauf hoffen, Stunden der Schwäche und des Leichtsinns durch erhöhten guten Willen wettzumachen. Der Gott des Calvinismus verlangte von den Seinigen nicht einzelne «gute Werke», sondern eine «zum System gesteigerte Werkheiligkeit». Diese Systematisierung der ethischen Lebensführung und deren «rationaler Charakter», die zur Heiligung des gesamten Lebens führten, das fast «den Charakter eines Geschäftsbetriebs» annahm, führten zur konstanten Selbstkontrolle und einer planmäßigen Reglementierung des Lebens. Weber fasste diese «zu einer systematisch durchgebildeten Methode rationaler Lebensführung» zusammen unter dem Begriff «innerweltliche Askese».
    Nach seiner Darstellung des Calvinismus untersuchte Weber in ähnlicher Weise den Pietismus und den angloamerikanischen Methodismus, daran anschließend das Täufertum mit seinen sektenhaften Ausprägungen der Baptisten, Mennoniten und der Quäker. Hier nun vor allem glaubte er die «radikale Entzauberung der Welt» zu erkennen, radikalisiert durch «die Intensität des ökonomischen Berufsinteresses». Anschließend an diesen Durchgang durch die protestantischen Glaubensgemeinschaften, verdeutlichte er seine weitergehende Untersuchungsabsicht: «Wir haben nunmehr die puritanische Berufsidee in ihrer Wirkung auf das Erwerbsleben zu verfolgen, nachdem die vorstehende Skizze ihre religiöse Fundamentierung zu entwickeln versucht hat. […] Daraus folgte für den einzelnen der Antrieb zur methodischen Kontrolle seines Gnadenstandes in der Lebensführung und damit zu deren asketischer Durchdringung. Dieser asketische Lebensstil aber bedeutet eben […] eine an Gottes Willen orientierte rationale Gestaltung des ganzen Daseins. […] Die christliche Askese, anfangs aus der Welt in die Einsamkeit flüchtend, hatte bereits aus dem Kloster heraus, indem sie der Welt entsagte, die Welt kirchlich beherrscht. Aber dabei hatte sie im ganzen dem weltlichen Alltagsleben seinen natürlich unbefangenen Charakter gelassen. Jetzt trat sie auf den Markt des Lebens, schlug die Türe des Klosters hinter sich zu und unternahm es, gerade das weltliche Alltagsleben mit ihrer Methodik zu durchtränken, es zu einem rationalen Leben in der Welt und doch nicht von dieser Welt oder für diese Welt umzugestalten.»
    Bei dieser methodologisch schwierigen, wenn nicht unmöglichen Aufgabenstellung einer Erforschung der «Zusammenhänge» zwischen religiösen Grundvorstellungen (puritanische Berufsidee, innerweltliche Askese) und Maximen des ökonomischen Alltagslebens («kapitalistischer Geist») wandte Weber sich ausgewählten theologischen Schriften zu, die einen Bezug zur seelsorgerischen Praxis hatten. Als Hauptrepräsentanten der puritanischen Ethik erwählte er Richard Baxter, den legendären anglikanischen Pfarrer und Gründer der Worcester Association. Mithilfe einer umstrittenen Interpretation von dessen Werken glaubte Weber alle jene Elemente eines asketischen Protestantismus herausarbeiten zu können, die ihm für die Entwicklung des modernen Kapitalismus als relevant erschienen. Die von Baxter und anderen puritanischen Theologen propagierte innerweltliche Askese, die gegen den unbefangenen Genuss des Besitzes gerichtet war, die ganz allgemein die Konsumtion, speziell die Luxuskonsumtion, einschränkte, bewirkte zugleich die Entlastung des Gütererwerbs von den Hemmungen der traditionalistischen Ethik, sprengte die Fesseln des Gewinnstrebens, indem sie es nicht nur legalisierte, sondern direkt als gottgewollt ansah. Bei der Legitimierung der Ansammlung privatwirtschaftlichen Reichtums kämpfte die puritanische Askese ebenso gegen jede Unredlichkeit wie gegen rein triebhafte Habgier. Das Streben nach Reichtum diente nicht dem Endzweck, «reich» zu sein, denn der Besitz als solcher war Versuchung. Bei der puritanischen Hochwertung der rastlosen, stetigen, systematischen, weltlichen Berufsarbeit als schlechthin höchsten asketischen Mittels ging es vor allem darum, als sicherstes und sichtbarstes Zeichen der Bewährung des wiedergeborenen Menschen und seiner Glaubensechtheit zu wirken. Eine solche Vorstellung diente, nach Weber, als «der denkbar mächtigste Hebel der Expansion jener Lebensauffassung […], die wir hier als ‹Geist› des Kapitalismus bezeichnet haben. Und halten wir nun noch jene Einschnürung der Konsumtion mit dieser Entfesselung des Erwerbsstrebens zusammen,

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